Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Geburt und Tod
Geburt und Tod scheinen gemeinhin extreme Gegensätze zu sein. Der Freude, daß ein neues Leben beginnt, steht die Trauer entgegen, daß ein Leben zu Ende ging. Es ist der Gegensatz von Leben und Tod, von Werden und Vergehen.
Nicht so in der Welt des christlichen Glaubens. Dort entspricht der biologischen Geburt die geistliche Wiedergeburt in der Taufe — dem Absterben im Tod entspricht das Wiederaufleben zu einem neuen Leben, zu einem .Leben in Fülle“. Deshalb ist ein christliches Begräbnis letztlich eine Auferstehungs-feier.
Als man vor der Einschränkung der Sakramente auf die sieben heutigen (seit dem 12. Jahrhundert) fallweise im Begräbnis ein Sakrament sah, war man vom tatsächlich Gemeinten gar nicht so weit weg: Denn eigentlich wollen die Symbole des Totengottesdienstes nichts anderes zeigen, als daß es mit dem in der Taufe Bewirkten nun ernst ist. Das neue Leben, in das wir durch die Taufe wiedergeboren wurden, hält auch dem Tod stand.
Deshalb wird auch im Begräbnis immer wieder auf die Taufe angespielt, sowohl in den Gebetstexten als auch im Besprengen des Sarges und des Grabes mit Weihwasser.
Da das Begräbnisritual eigentlich ein Kult um einen Abwesenden ist, da ja mit dem Sarg seine Anwesenheit bloß symbolisiert wird, während die Hinterbliebenen tatsächlich anwesend sind, richtet sich die Botschaft der Totenliturgie tröstend und aufrichtend an sie. Die theatralische Anrede an den Verstorbenen ist ihr fremd. -
Die sakramentale Gemeinschaft mit dem Verstorbenen, die „communio sancto-rum“, wird in der Eucharistie vollzogen, dem „geistlichen Totenmahl“. So wird die Feier des Todes und der Auf er- , stehung Christi zur Feier des Todes und der Auferstehung des Verstorbenen. Und zugleich zum Zeichen der Hoffnung für die Zurückgebliebenen.
Seit der Jahrtausendwende bürgerte sich — ausgehend vom Kloster Cluny — der Allerseelentag ein. War dieser Tag und seine liturgische Ausprägung lange Zeit von Höllenangst und Ablaßwesen geprägt (wie das heute entfernte ,JDies irae“ erkennen läßt), so verliert sich jetzt das christliche Totengedenken im kommerzialisierten Friedhofsritual. Lediglich der unerbittliche Zyklus des herbstlichen Absterbens der Natur erinnert daran, daß jedes Totengedenken auch ein Bedenken des eigenen Todes sein sollte.
48. Teil einer Serie über Zeichen und Symbole im Jahreskreis der Kirche.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!