7209141-1992_24_04.jpg
Digital In Arbeit

Irland: Vor Entscheidung zur EG-Polit-Union

Werbung
Werbung
Werbung

Dänemarks Ablehnung der beschleunigten europäischen Integration hat auch in Irland die Zweifel der Bürger verstärkt, doch die Regierung will ungeachtet der Tatsache, daß das Vertragswerk von Maastricht rechtlich auf brüchiger Grundlage steht, in der kommenden Woche das geplante Referendum zur Ratifikation durchführen.

Bis vor kurzem zweifelte kaum jemand an einem deutlichen Ja; die starke Verflechtung der irischen Wirtschaft mit dem EG-Raum und die hohen Finanztransfers zum Ausgleich des Wohlstandsgefälles sprechen eine deutliche Sprache. Doch obwohl die Iren - im Gegensatz zu den Dänen - das Ziel der europäischen Integration nie grundsätzlich in Frage stellten, steht die Regierung vor einer äußerst schwierigen Aufgabe.

Die Gegner der Ratifikation bilden eine überaus bunte außerparlamentarische Koalition, die sich nicht um die Ja-Parole der etablierten Parteien, Gewerkschaften und Verbände kümmert. Die Streuung des Widerstandes ergibt sich aus der unseligen Verknüpfung der Europadebatte mit der Abtreibungsfrage. Seit dem Fall des 14jährigen Vergewaltigungsopfers, das im Februar von der irischen Justiz an derAusreise nach England gehindert werden sollte, ist die heftige Diskussion nicht verstummt. Denn die Richter befanden damals in letzter Instanz, daß die Abtreibung im Falle einer Selbstmorddrohung der Mutter rechtens ist - obwohl die irischen Wähler 1983 ein scheinbar totales Abtreibungsverbot in ihrer Verfassung verankert hatten. Gleichzeitig allerdings bezweifelte das Gericht, daß es ein Grundrecht auf Freizügigkeit gebe, wenn dadurch ungeborenes Leben in Gefahr geriete.

Diese Rechtslage, die weder der katholischen Kirche und den ihr nahestehenden Laienorganisationen noch den Liberalen paßt, wird durch das irische Zusatzprotokoll mit den Verträgen von Maastricht verknüpft, denn darin schließt Irland jeglichen Rückgriff auf europäisches Recht in Abtreibungsfragen aus. Es ist bis heute unverständlich, weshalb die Regierung ohne Not beschloß, das Europareferendum vor den unumgänglichen irischen Reformen im Abtreibungsbereich abzuhalten; dieser taktische Fehler hat bewirkt, daß Gegner wie auch Befürworter der Abtreibung am 18. Juni ein Nein in die Urne legen werden.

Erst Dänemarks Ablehnung erlaubte den Iren eine reife, sachliche Diskussion. Vorher war die Angst vor der Isolation zu groß. Zusätzliche Themen verdrängen allmählich die Abtreibung: Irlands traditionelle Neutralität ist durch den neuartigen Schulterschluß zwischen der EG und der WEU (Westeuropäische Verteidigungsgemeinschaft) bedroht, während andere sich um Irlands Attraktivität für internationale Investitionen sorgen. Die Regierung versucht derweil krampfhaft, die Ablehnung von Maastricht mit einem selbstgewählten Rausschmiß aus der EG gleichzusetzen - gleichzeitig steht fest, daß das irische Referendum kaum rechtsverbindlich ist, sondern eher eine Geste des politischen guten Willens. Eine Prognose wäre tollkühn.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung