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Musik, die uns vergiftet

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Musik wird, wie Wilhelm Busch bemerkt, „schmerzhaft oft empfunden, zumal sie mit Geräusch verbunden”. Die Geräusche der Musik wirken jedoch nicht nur auf das Gehör. Darüber hinaus hat die Musik auch bedeutende und miteinander verflochtene seelische, soziologische und physiologische (unmittelbar körperliche) Aspekte.

Die Autorin des Buches „Berieselungsmusik — Droge und Terror”, Elisabeth Haselauer, Professorin für Klavier an der Musikhochschule Wien und für Musiksoziologie an der Wiener Universität, behandelt diese Aspekte. Damit liefert sie zudem eine Synthese von Psychologie, Physiologie und Soziologie, welche zur Vertiefung dieser drei Fächer wesentlich beiträgt. Daher sollte dieses Buch vor allem Schülern der Oberstufe als wertvolle ergänzende Literatur empfohlen werden.

Als Motto des Buches könnte die Feststellung der Autorin dienen: „Der Umgang mit der Musik kann nicht anders sein als der Umgang mit dem Leben überhaupt.” Die Hektik des Alltags und die Verkümmerung menschlicher Beziehungen wird auf die unpersönliche Hektik in der Musik übertragen.

Im Kapitel „Wirkungen auf den Körper” beschreibt die Autorin die Tendenz, die körperlichen Funktionsrhythmen dem Taktschlag der Musik anzugleichen. Das geschieht über das autonome oder vegetative Nervensystem, das von unserem Willen nicht beeinflußt wird.

In Musik verpackt umgeht der Rhythmus das Bewußtsein und wirkt direkt auf Herzschlag und Puls. Hier erhalten wir Einblick in die Tätigkeit und die Funktionen des menschlichen Nervensystems, und zwar in einem sinnvollen Zusammenhang, welcher die diesbezüglichen Lehrbücher in konstruktiver Weise ergänzt.

Allgemeine Aufmerksamkeit verdienen die Hinweise auf die Gefahren von zwei Faktoren der Musik, die unser autonomes Nervensystem direkt erreichen können, ohne daß wir imstande sind, dies zu steuern oder gar zu verhindern: Tempo und Lautstärke.

Tempo und Lautstärke wirken genau so wie Drogen, indem sie die innere Leere von passiven Menschen ausfüllen. Die damit verbundene Beschleunigung von Puls und Herzschlag belastet das Nervensystem und drängt zur atemberaubenden Eile - wodurch übrigens Autofahrer gefährlich werden können. Daraus der Schluß: „Schnelle und laute Musik in Autos gehört schlicht verboten.” Das ist übrigens nicht die einzige Empfehlung in diesem Buch, die Aufmerksamkeit verdient.

Musik, so Elisabeth Haselauer, ist Ein-Weg-Kommunikation. Damit wird Musik zum Terror für Menschen, die Melodie und Rhythmus gegen ihren Willen ausgesetzt sind. Für diejenigen, die sich von ihrer Umwelt in Musik zurückziehen, wird diese zur sanften Droge und damit ein Schritt zu härteren Drogen. Dabei ist Musik, die allgegenwärtig ist, gar nicht als harmlose Droge zu betfachten, denn auch sie enthebt uns des Denkens und entfremdet uns von unseren Mitmenschen. Auf Musik wie auch auf Drogen trifft der Ausspruch der Autorin zu: .Alles was heilt, kann durch Mißbrauch krank machen.”

Elisabeth Haselauer belegt ihre Thesen über das destruktive und über das konstruktive Potential der Musik mit den Daten sozialwissenschaftlicher Umfragen und mit den Worten bedeutender Denker unserer Tage. Dabei kommen Physiker, Biologen, Mathematiker und Philosophen zu Wort. Die Ansichten dieser Denker sind für die Thesen der Autorin relevant. Ihre alarmierenden Feststellungen betreffen alle mündigen Bürger, die Musik in den verschiedenen Darbietungen begegnen.

BERIESELUNGSMUSIK - DROGE UND TERROR. Von Elisabeth Haselauer. Hermann Bühlau Verlag, Wien 1986. 164 Seiten, öS 180.-.

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