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Naturalismus als Programm
Waren schon sowohl der literarische Wert als auch die exakte Authentizität des biographischen Bagno-Bestsellers „Papillon“ von Henri Charriere auf dem Höhepunkt der Erfolgswelle vor dre^Jah-ren umstritten, so bestätigt zumindest die nunmehrige Verfilmung die Gewißheit, daß es sich bei dem Roman nicht so sehr um eine Anklage gegen eine (sohon länger überholte) unmenschliche Form des Strafvollzuges als eher um eine reißerische Abenteuergeschichte handelt. Die am Filmende dezent aufscheinende Erklärung seiner humanen Absicht wirkt eher wie eine Entschuldigung für die zahlreich vorkommenden Brutalitäten, Sadismen und Scheußlichkeiten denn als seine beabsichtigte „Aussage“. Doch diese sei eben „milieubedingt“; mag man angesichts des Themas sagen — und jedenfalls werden vor allem sie den Erfolg des Films ausmachen, der sich bis auf die Grundhandlung und eben einige „sensationell“-effektvolle Sequenzen ziemlich von der weitschweifigen literarischen Vorlage entfernt. — Dennoch kann der in ausgespieltem Naturalismus gestaltete und vor allem ausgezeichnet dargestellte Film manche Längen nicht vermeiden — und wieweit überhaupt ein zum Programm, als einziges Gestaltungsprinzip erhobener Naturalismus als Kunst zu werten ist, ist eine Frage, die hier wohl nicht diskutiert werden kann. Das
Ergebnis ist jedenfalls eine abenteuerliche Ausbruchsgeschichte, Wie sie seit Dumas' „Graf von Monte Christo“ schon oft in den Kinos zu sehen war, wenn auch bisher wohl noch kaum so spektakulär, effektvoll und unbarmherzig kraß, wodurch sie sicher ihre Zuschauer finden wird. Noch eine notwendige Bemerkung: die im Film sichtlich bösartig-hämisch ausgewalzte Attacke gegen die Kirche in einer Szene mit Klosterschwestern ist ebenso häßlich wie unnötig.
Filmfreunden sei wenigstens noch als wahre Freude und durch nichts gestörter Genuß die Wiederaufführung einiger bereits „klassischer“, historischer Filme ans Herz gelegt: so Buster Keatons geniale Stummfilmgroteske mit ernstem Hintergrund „Der General“ (aus dem Jahr 1926), das unsterbliche melan-eholisch-verzaubernde Meisterwerk Chaplins „Goldrausch“ und — man verzeihe die Einordnung zu diesen beiden filmhistorischen Grundwerken — Walt Disneys noch immer hinreißende Verfilmung von Felix Saltens „Bambi“, dessen technische Perfektion, zusammen mit der Fülle poetischer Einfälle, „Handwerk“ in die Regionen der Kunst erhebt. „Machen Sie sich einen mehr als vergnügten, einen schönen Abend, gehen Sie (zu diesen Filmen) ins Kino ...“ Hier wird der Slogan Wahrheit!
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