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Nein zum Fahneneid

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Franz Reinisch wurde am 1. Feb. 1903 in Feldkirch als Sohn einer alten Tiroler Familie geboren. Er hat als katholischer Priester in der NS-Zeit im Gegensatz zu vielen seiner Mitbrüder den Fahneneid auf Hitler aus Gewissensgründen verweigert, wurde zum Tode verurteilt und am 21. August 1942 in Berlin-Brandenburg enthauptet.

Die Gefängnisaufzeichnungen des Pallottinerpaters Franz Reinisch, verfaßt während seiner mehr als viermonatigen Haft, und die fast ebenso wichtigen Tagebuchnotizen seines Betreuers, des Berliner Standort- und Gefängnispfarrers Heinrich Kreutzberg, sind bis heute ungedruckt.

Im folgenden wird nach der Fotokopie einer handschriftlichen Abschrift aus dem Jahr 1945 zitiert, die die Schönstatt-Patres, zu denen Reinisch gehörte, dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes geschenkt haben:

„Was meine Vorgesetzten und Oberen betrifft, stehe ich auf dem Standpunkt: in disciplinis semper oboedientia, in spiritualibus conscientia. Nun handelt es sich gerade in meinem Fall um eine Uberzeugungsangelegenheit, die außerhalb des Befehlsbereiches der Gesellschaft liegt. Ich betone: ich habe jeden Befehl, jede Versetzung, und mag sie noch so unangenehm gewesen sein, ausgeführt, um diesem Entscheid zu entgehen."

Und weiter heißt es: „Ich habe auch den Stellungsbefehl nicht gesucht oder leichtfertig an mich heranbringen lassen. Wurde er

mir aber ausgehändigt, dann handelte ich nach meiner Uberzeugung: daß der eingeschlagene Weg für mich Gottes Wille ist! Ich habe auch alles getan, um Unannehmlichkeiten oder Schaden, der daraus entstünde, im voraus zu beseitigen: Abbruch jeder gesellschaftlichen Beziehung, Rat zu Dimissio extra societatem

etc... So lag die Verantwortung nur mehr bei mir! Und so will ich mit Freuden vor den Richterstuhl Gottes treten.",

Einen dramatischen Höhepunkt bildet der Besuch des Pallottiner-Provinzials bei Reinisch im Gefängnis am 17. Juli 1942. Der Pro-vinzial macht insgesamt sechs Vorhaltungen, auf die Reinisch schlagfertig antwortet:

Provinzial: „Der Eid verlangt nichts Unerlaubtes. Hitler ist Vertreter der gottgewollten (!) Autorität."

Reinisch: „Wird nicht als Autorität anerkannt. Er ist in Österreich eingebrochen. Ich lebe und sterbe als Österreicher. Diese Regierung ist keine gottgewollte Autorität. Wenn ich an die Kinder und an die Jugend denke, schreit mein Herz auf, daß sie den statt Christus am Kreuz anbeten sollend

Provinzial: „Gehorsamspflicht des Fahneneides!"

Reinisch: „Er kann mich nur unter Gehorsam verpflichten zum Fahneneid, wenn er total geleistet werden könnte. Er kann mich aber nicht zu Vorbehalten zwingen. Wenn man furchtbare Schwierigkeiten gegen die christliche Religion kommen sieht, muß man beim Eid einen Vorbehalt machen, diesen Vorbehalt aber wül ich nicht machen. Ich bin

nicht ungehorsam! Der Obere will mich zu etwas verpflichten, wozu er mich unter Gehorsam nicht verpflichten kann."

Und weiter: „Der Vorwurf irriges Gewissen riecht nach Ketzerei und nach Ungehorsam! Den Vorwurf irriges Gewissen und Ungehorsam muß ich aus Liebe zu Schönstatt und zu Maria ganz entschieden entkräften. Es könnte höchstens von einem dringenden Rat der höheren Oberen die Rede sein. Somit ist hier entscheidend: Die Führung und der Wille Gottes. Mögen andere den Treueid leisten, das ist nicht für mich bindend und verpflichtend. Ich muß einen solchen schweren sittlichen Akt aus Uberzeugung tätigen können."

Schließlich argumentierte Reinisch: „Überdies kann ich das große Kreuz für die höheren Oberen verstehen, wenn Gott selbst in seiner Führung der Seelen unverständlich für sie wird: .Wußtet Ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meines Vaters ist?'"

Und: „Ich erkenne durch die lange, lange Zeit der vorausgegangenen Prüfungen und Erprobungen, daß ich im Gehorsam Gott gegenüber zum Wohl der Kirche und besonders diesen einmal eingeschlagenen Weg zu Ende gehen muß."

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