6863573-1977_46_11.jpg
Digital In Arbeit

Ruhe nach dem Sturm im Blätterwald

Werbung
Werbung
Werbung

In unserer Übersicht über die katholische Presse anderer Länder fehlte die Schweiz. Unser Mitarbeiter in Bern, Ulrich Grüninger, schließt die Lücke.

Die Tagespresse in der Schweiz hat eine schwierige Phase hinter sich. Das gilt auch für die katholische Presse: Noch 1960 zählte man 75 Zeitungen katholischer Observanz; heute sind es noch deren 46. Die Gründe für das große Sterben unter den kleinen Zeitungen liegen primär im technologisch-wirtschaftlichen Bereich. Daß die etablierte katholische Presse durch journalistische Leistungen und verlegerische Anstrengungen ihren festen Platz im helvetischen Blätterwald behauptet hat, zeigt ein kurzer Blick auf die Auflageziffern, die eher überproportional zum allgemein ansteigenden Trend wachsen. 1977 erreichten die katholischen Zeitungen mit einer Gesamtauflage von 400.000 Exemplaren (die schweizerische Tagespresse hat insgesamt eine Auflage von 2,6 Millionen) über eine Million Leser. Über 80 Prozent der Auflage entfallen auf sechsmal wöchentlich erscheinende Tageszeitungen (21 Titel, Kopfblätter mitgezählt), der Rest wird von ein- bis dreimal erscheinenden Organen bestritten.

Spitzenreiter ist das Luzerner „Vaterland“ mit 57.000, zwei weitere Zeitungen übersteigen die 30.000er-Marke, und am anderen Ende der Skala liegen Blätter, wie die „Neue Toggenburger Zeitung“ mit 1000 Exemplaren zweimal in der Woche. Die Gesamtauflage der katholischen Tagespresse verteilt sich, ziemlich genau der Bevölkerungszahl entsprechend, auf die drei Sprachregionen des Landes, wobei naturgemäß die mehrheitlich katholischen Kantone die dichteste Streuung aufweisen. Relativ schlecht versorgt sind die großen Agglomerationen Zürich, Basel, Bern und Genf, wo die katholische Presse trotz namhafter katholischer Minderheiten gegen die übermächtige Konkurrenz der neutralen und Boulevard-Presse kaum ankommt. Ein Gegengewicht dazu hat sich dort in den letzten Jahren in Form regionaler „Pfarr- blätter“ herausgebildet, die als Wochenzeitungen mit Zustellung an alle katholischen Haushalte das Informationsdefizit abdecken.

Wer von der katholischen Presse spricht, darf das breitgefächerte Zeitschriftenangebot nicht unerwähnt lassen. Es umfaßt mehrere Dutzend Titel mit einer Gesamtauflage von rund 400.000, von den Illustrierten (in jeder Landessprache eine) über Periodika für Glaubens-, Familien- und kulturelle Fragen, Jugendzeitschriften bis zu den Missionszeitschriften.

Viele katholische Presseorgane wurden einst als Kampfblätter gegen laizistische Angriffe im „Kulturkampf“ der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts gegründet, der sich besonders gegen die ultramontane katholische Hierarchie richtete. Die Väter der katholischen Presse waren aber fast durchwegs kirchlich und politisch engagierte Laien, weswegen die katholischen Zeitungen bis heute materiell und institutionell völlig unabhängig von der kirchlichen Hierarchie geblieben sind und demgemäß ein sehr breitesMeinungsspektrum auch im religiösen Bereich vertreten. Auf demselben historischen Hintergrund ist auch das Verhältnis zwischen katholischer Tagespresse und CVP zu sehen; die Verflechtungen sind heute verschieden innig; vom offiziellen Parteiorgan über parteinahe bis zu betont unabhängigen Blättern gibt es alle Schattierungen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung