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Presse in Holland

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Der Anfang des niederländischen Zeitungswesens liegt drei Jahrhunderte zurück. Die Holländer waren ein Volk der Seefahrer und Händler, sie hatten ein Interesse an Nachrichten aus dem Ausland, Berichten über die Schiffahrt, über Ernte und Absatzmöglichkeiten in anderen Ländern, so bildete sich ein natürliches Bedürfnis nach Nachriditen und Zeitungswesen. Schon Ende des 16. Jahrhunderts existierten in Amsterdam geregelte Postdienste, die Nachrichten aller Art vermittelten.

Nach der Trennung von Spanien glaubte die nationale Regierung, nicht ohne Grund, die öffentlidie Meinung mittels der „Fliegenden Blätter“ beeinflussen zu können und begünstigte deshalb das Entstehen von Zeitungen. Viele Städte zogen das Zeitungsprivileg an sich. Die ersten „courantiers“, Zeitungsherausgeber, in den Niederlanden waren Verhoeven, Broer Jansz und van Hilten. Bereits 1618 ließen sie periodisch gedruckte Zeitungen erscheinen und ihr Beispiel fand bald Nachahmung in Amsterdam, Rotterdam und Arnheim. Die älteste selbständige Zeitung in den Niederlanden, und eine der ältesten der ganzen Welt, ist die „Haerlemse courant“.

Es sollte jedoch noch über hundert Jahre dauern, bevor man von einer wirklichen Zeitung reden konnte, Die Presse aus dieser Zeit beschränkte sich auf langweilige farblose Berichterstattungen, kulturelle oder soziale Probleme wurden nicht besprochen. Von einer geistigen Führung konnte nicht die Rede sein. Die Blätter erschienen ein bis zweimal wöchentlich. Die Buchdruckerkunst war noch ein umständlicher Betrieb und eine ungeheure Steuerlast drückte jedes Emporkommen. Die politische Polemik in der Presse erwachte erst um 1750, als die „Patrioten“ und „Orangisten“ (Liberalen und Konservativen) einander mit bisher un- gekannter Bissigkeit anfielen, Politische Leidenschaften führten an Stelle der objektiven Argumente in der politischen Erörterung. Es war die Zeit, da Görres schrieb: „Der Wille des Volkes muß sich unbedingt Möglichkeiten sdiaffen, um sich ungebunden zu äußern. Das souveräne Volk richtet von der Höhe seines Throns durch die Publizität über Gutes und Böses.“

Bis dahin bestanden in Holland keine katholischen Zeitungen. Holland war und blieb eine „protestantse natie“, eine evangelische Nation. Die Französische Revolution brachte 1798 zwar die prinzipielle Anerkennung der Pressefreiheit, aber es blieb bei der bloßen Theorie. Die napoleonische Zeit verurteilte das niederländische Zeitungswesen vollends zur Apathie. Erst die stürmische politische Aufregung, die durch die Trennung Belgiens von Holland (1830) hervorgerufen wurde, rüttelte die öffentliche Meinung wach. Nun maditen die Katholiken 1829 mit der Gründung des Blattes „De Noord-Brabatider“ ihre ersten schüchternen Versuche in der Publizistik. Dr. Wap und der Geistliche J. A. Smits übernahmen die Redaktion und bereits zehn Jahre später war die Zeitung das maßgebende katholische Organ. Ob- gleidi das liberale „Algemene Handelsblad“ die Gleichberechtigung der Katholiken unterstrich, wurde „De Noord-Brabander“ zum Verschwinden gebracht. Doch der tapfer Smits ließ die Sache nicht auf sidi beruhen. Nach vielen Schwierigkeiten fand er einen reichen Bürger aus Amsterdam, P. van Cranenburgh, der ihm das benötigte Kapital für ein neues katholisches Blatt verschaffte. 1854 kam das neue Blatt „De Tijd“ (Die Zeit) heraus. Die ersten Jahrzehnte hatte es hart zu kämpfen. Die vorhandenen Mittel waren allzu karg und die Kritik, der das Blatt begegnete, war häufig abfällig. Trotas- dem führte Smits das katholische Volk mit seiner Zeitung in kräftiger, zielbewußter und doch vorsichtiger Art. 1848 erschien’ „Die Zeit“ täglich, seit 1929 mit einem Morgen- und Abendblatt. Mit ihren 39.000 Beziehern ist sie heute eine der größten Zeitungen Hollands. Im gleichen Verlag erschien eine Volksausgabe „De Amstelbode“ und das „Katholieke Week- blad“. Auch die neutrale und liberale Press erstarkte. Im Jahre 1890 bestanden in Holland 54 Zeitungen, vier Jahre später 62; 1869 allein 146 Wochen, und Monatsblätter, 1894 700! Viele Katholiken bezogen eine neutrale Zeitung, die häufig eine bessere und schnellere Berichterstattung bot; erst spät besannen sich die Katholiken in größerem Maße auf ihre eigene Presse. 1868 war „Maasbode“ gegründet worden. Ursprünglich geplant als Wochenzeitschrift gegen den liberalen Presseeinfluß, wurde das Blatt zu einer der größten holländischen Zeitungen, eine mächtige Stütze der katholischen Staatspartei. Ab 1871 erschien die „Maasbode“ zweimal in der Woche, seit 1908 zweimal täglich. Das sehr stattliche, aus aller Welt wohl bediente Blatt, hat sich in weitesten Kreisen auch durch seinen vortrefflichen Handelsteil Verbreitung verschafft. Für Rotterdam und Umgebung gab derselbe Verlag ,Het nieuwe Dagblad“ heraus. Er versorgt heute etwa 35 kirchliche Blätter. Der große katholische Staatsmann Dr. Schaepman verfocht seine sozialen Ideen in „Het Centrum“, einem wertvollen Blatt, das nach seinem Tode leider zu einem der kleineren katholischen Blätter herabsank. Augenblicklich stellt das Wochenblatt „Volkskrant“ mit 171.000 Beziehern die verbreitetste katholische Zeitung Hollands dar, ein kulturell hochstehendes Organ.

1937 erschienen in Holland 79 Zeitungen. 32 davon waren katholisch, 32 neutral, 6 liberal, 5 antirevolutionär (beziehungsweise christlich-historisch), 2 sozialdemokratisch, 1 kommunistisch und 1 nationalsozialistisch. Die letzte wurde nach der Befreiung verboten. Ziemlich rasch gewannen nach dem Krieg die alten bewährten Zeitungen ihre früheren Stellungen wieder. Aus dem schlichten „Noord-Brabander“ und der „Tijd“ ist eine mächtige Presseapparatur entstanden, die zusammen mit „Maasbode“ eine Zeitungsfront darstellen, die man als vorbildlich bezeichnen kann, sie wäre nicht so, würde der katholische Journalist nicht in Holland von einem hohen Berufsethos getragen sein, das durchleuchtet ist von dem Willen, in einem Apostolat zu dienen.

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