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Tödliche Moskitos

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Der Gesundheitsminister Paulo Almekla Machado sprach von der „größten Impfaktion aller Zeiten“. Die Meningitis hat im Staate Säo Paulo während der drei Wintermonate August, September und Oktober 1974 15.893 Menschen' befallen. Aber während man während des Sommermonats Jänner im Vorjahre nur 442 Fälle zählte, kam man in dem gleichen Monat des Jahres 1975 auf 3150 und in den ersten drei Monaten dieses Jahres auf über 7000. Die brasilianische Presse rechnete nach. Wenn die Epidemie sich im Vergleich zum Vorjahr weiter verfünffache, dann werde man in diesem Jahr mit 220.000 Patienten rechnen müssen, von denen 10 Prozent stürben. In der Stadt Belo Horizonte waren fast alle 1,2 Millionen Einwohner im Februar geimpft worden. Im März ging die Zahl neuer Fälle, um 80 Prozent zurück. Aber Groß-Säo Paulo hat mit seinen 36 Nach-barstädten etwa 10 Millionen Einwohner. Ein Offizier, der durch seine organisatorischen Fähigkeiten bekannt ist, Ebert Seixas Duarte, wurde vom Gesundheitsminister beauftragt, die schwierige Massenimpfung zu leiten. Presse und Rundfunk stellten sich für eine intensive Trommelpropaganda zur Verfügung: „Meningitis-Impfung vom 22. bis zum 25. April“. 5000 Menschen, Impfer, Sanitäter, Sozialpfleger und Auf-sichitspersonatl wurden eingesetzt. Schulen, Kirchen, Klubs und Fabriken wurden systematisch zwecks Aufklärungsarbeit besucht. Auf 280 festen Stationen wurde mehr als 12 Stunden long am Tag geimpft. Außerdem gab1 es „fliegende Impf-stationen“, die in die unzähligen brasilianischen Cafes eindrangen.

Während man so der Meningitis-EpMsmie im Staate Säo Paulo Herr zu werden hofft, ist eine bisher unbekannte Krankheit aufgetaucht, die als eine neue seltsame Form der Gehirnentzündung bezeichnet wird, und zwar vor allem in der Küstenzone von Santos. Nach dem Ort, der sich als Hauptherd erwies, wurde der Erreger „Virus von Peruibe“ genannt. In 72 Stunden wurde in der Ferienkolonie der Militärpolizei, bei dem Ort Itanhaem, ein Isolierungs-SeuchenhosDital errichtet. Nach An-

sicht der Mediziner scheint der Virus dieser neuen Krankheit vor allem durch Moskitos übertragen zu werden. Aber während die Meningitis-bekäimpfung in Säo Paulo durch ihre erstklassige Organisation zu Hoffnungen Anlaß gibt, steht die Moski-tofoekämpfung bisher in keinem Verhältnis zur Aufgabe.

Gegen ein ähnliches Insekt, das man in Brasilien „Barbeiro“ („Barbier“) nennt, hat die zentrale Gesundheitsbehörde in Brasilia den Kampf eingeleitet. Vorläufig beginnt dieser Kampf freilich sehr theoretisch mit einer „Bestandsaufnahme“ in 13 Staaten, um zu ermitteln, in welchen Zonen die „Chagas-Krank-heit“, von der 8 Millionen Brasilianer befallen sein sollen, besonders häufig ist.

Ebenso hat das Gesundheitsministerium mit Hilfe der Weltgesundheitsorganisation im Staate Pernam-buco ein supermodernes Forschungsinstitut zur Bekämpfung der Beulenpest eingerichtet. In dem Ort Ipü im Staate Cearä geben die Sanitätsstellen den Bewohnern Material, um das Eindringen der Ratten in ihre Hütten zu verhindern, da die Ratten ja Träger der Beulenpest sind. Die Weltgesundheitsorganisation gab bekannt, daß nach ihren Berechnungen auf jeden Bewohner der Erde 3 Ratten kämen.

Eine andere Plage, vor allem für die Bewohner der Elendsviertel, ist im Hochsommer (Dezember/Jähner) die „desitratacäo“, die „Entwässerung“. Der Direktor des Gesundheitswesens, Nelson Moraes, erklärte, daß solche Fälle in Säo Paulo 250mal so häufig seien wie in Frankreich. „Die Hitze tötet jährlich 150.000 Kinder“. Vom 4. bis zum 5. Jänner 1975 wurden 1588 Kinder mit dieser Krankheit in Hospitäler eingeliefert. Im Dezember 1974 wurden ihrer 14.000 behandelt. Wie bei den meisten Seuchen, handelt es sich um eine Krankheit der Armen. In den „Favelas“, den bunten Hütten auf den Hügeln über der Stadt, gibt es keine Kanalisation. Das verschmutzte Wasser, das den Kleinkindern ungekocht gegeben wird, führt zur Deshydration, einem der Faktoren der enormen Kindersterblichkeit in Brasilien.

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