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Wagner und Moliere

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Der neue Intendant Dr. Nemeth scheint einen guten Instinkt dafür zu haben, was das Grazer Opernpublikum braucht, um einem Theaterleiter die Treue zu halten. Wenn die Grazer ihren Verdi und ihren Puccini in guter Besetzung bekommen und wenn sie vor allem mit Wagnerscher Kost in ausreichendem Maße versorgt werden, dann gibt es für einen Operndirektor in Graz kaum noch Probleme.

So ging Dr. Nemeth, offensichtlich gut beraten, auch gleich daran, den „Ring des Nibelungen“ in Etappen neu herauszubringen. An der Konzeption der neuen „Rheingold“-Inszenierung hatte sich gegenüber jener länger zurückliegenden recht wenig geändert: der Regisseur, Andre Diehl, ist der gleiche geblieben, und so läßt sich höchstens von einer gelassenen, einem statischen Stil verpflichteten Personenführung in der Art von Nachkriegs-Bayreuth berichten. Anders die Bühnenbilder Wolfram Skalickis. Hier zeigte sich — besonders im Rheinbild —, zu welchem Grad künstlerischer Reife Skalicki emporgewachsen ist. Die Dekorationen sind weit über die optische Monumentalwirkung hinaus grandiose Interpretation der dem Werk innewohnenden Idee. Trotz Klobu-cars energischer Führung geriet der orchestrale Anteil der Aufführung bemerkenswert schlecht. Walter Kreppeis Wotan, Gottfried Horniks Alberich, die Fricka von Gertraud Eckert und der Fasold des Jaroslav Stajnc kompensierten jedoch manche aus dem Orchestergraben kommende Unklarheit.

Das Beste an der Neuinszenierung des „Menschenfeindes“ von Moliere ist die deutsche Ubersetzung von Hans Weigel: locker gefügte, leicht verstehbare gereimte Alexandriner ohne Archaismen, aber dafür von unvergleichlicher Prägnanz. Fast ebenso gut aber ist Rudolf Kauteks Inszenierung des „Misanthrope“ im Grazer Schauspielhaus. In einem prächtig zeichnerischen, klassischen Architekturkäfig in reinstem Schwarz-Weiß (Friedrich Klein) vollzieht sich ein Konversations- und Gestenspiel von souveräner Eleganz und schönster Musikalität. Daß es nicht bei dekorativer Unverbindlich-keit bleibt, dafür sorgt neben Moliere die intelligente Ausdeutung Kauteks, in der die ganze „cuisine“ einer von Verstellung lebenden Gesellschaft und gleichzeitig die Tragik des „con-testataire“ sichtbar wird, dem nur zwei Möglichkeiten bleiben: die Lächerlichkeit oder die einsame Insel fern aller Zivilisation. Die elegante Glätte dieser Welt bekam einen kräftigen akustischen Akzent durch den vielleicht doch zu cholerisch agierenden Otto David (Al-ceste) und ein paar bunte visuellmimische Farbtupfen mit der Dienerszene. Ein sehenswertes Kabinettstück: Dietlindt Haug als raffiniertnaive Celimene.

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