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Atomstrom soll Energielücke schließen

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Nachrichten aus der DDR.

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Auch in der DDR wird in verstärktem Maße über Fragen diskutiert, die mit dem Bau und mit der Inbetriebnahme neuer Atomkraftwerke in Zusammenhang stehen, denn die Lage im DDR-Einergiebereich ist nach wie vor angespannt. Wie in den westlichen Ländern, so verdoppelt sich der Energiebedarf auch in der DDR innerhalb von zehn bis zwölf Jahren.

Zur künftigen Energiepolitik der DDR äußerte sich jetzt Honeckers Minister für Kohle und Energie, Klaus Siebold, vor Journalisten in Ost-Berlin. Der DDR-Minister sagte, die Braunkohle werde zwar auch in den nächsten Jahren wichtigster Energieträger bleiben. Aber ein hoher Anteil des erforderlichen Primärenergiezuwachses soll durch die Errichtung großer Kernkraftwerke gedeckt werden. Laut Siebold fließen gegenwärtig bereits 40 Prozent aller Industrieinvestitionen in die Energiewirtschaft.

Gegenwärtig sind in der DDR zwei Kernkraftwerke in Betrieb. Beide produzieren 2,7 Milliarden kWh, das sind etwas mehr als drei Prozent der Gesamtstromerzeugung.

Im Hinblick auf die Aktivitäten der kommunistisch unterlaufenen Bürgerinitiativen in der Bundesrepublik, die von der DDR gesteuert, finanziert und planmäßig gegen jedes neue Atomkraftwerksprojekt in Marsch gesetzt werden, ist es interessant, zu erfahren, daß der erste Schritt zur industriellen Nutzung der Kernenergie in der DDR bereits 1957 erfolgte, als mit dem Bau eines Kernkraftwerkes in Rheinsberg begonnen wurde. Der Betrieb wurde im Mai 1966 aufgenommen. Mit einer Gesamtkapazität von 70 MW ist es eine relativ kleine Anlage, dient nur zu einem Teil der Stromerzeugung, darüber hinaus aber Ausbildungs- und Forschungszwecken.

Dagegen befindet sich das erste rein industriell genutzte Kernkraftwerk der DDR in der Lubminer-Heide bei Greifswald. Für die Standortwahl waren zwei Gesichtspunkte entscheidend: Im Gegensatz zum Süden, verfügt der Norden der DDR über keine Rohstoffgrundlage für die Stromerzeugung. Dagegen bietet die Ostsee ein reiches Kühlwasserreservoir. Schon 1973 wurden Bedenken wegen ungenügender Sicherheitsvorkehrungen geäußert. Der Bau des Kernkraftwerkes Nord war 1965 zwischen der Sowjetunion und der DDR vereinbart worden. Nach rund siebenjähriger Bauzeit nahm Ende 1973 der erste Reaktor seinen Probebetrieb auf. Schon ein Jahr später konnte auch der zweite Reaktorblock fertiggestellt werden; seit Mitte 1975 arbeiten beide Reaktoren im Dauerbetrieb.

Hinsichtlich der Aufbewahrung radioaktiver Abfälle haben die Verantwortlichen der DDR eine Lösung gefunden, die seitens der Bevölkerung widerspruchslos hingenommen werden mußte. Abfälle jeglicher Radioaktivitäten werden in dem stillgelegten Salzbergwerk in Schönebeck an der Elbe gelagert. Hier kam es auch im Juni 1974 zu schweren Unfällen, als fünf Arbeiter beim Deponieren von „Atom-Müll“ strahlengeschädigt wurden. Über diesen Vorfall - der im Westen erst jetzt bekannt wurde - berichtete keine Zeitung in der DDR.

Nach den Plänen der SED-Funktionäre soll der Ausbau der Kernenergie im gegenwärtigen Planzeitraum 1976/80 beschleunigt vorangetrieben werden. Jede vierte neu zu errichtende Kraftwerkskapazität soll auf der Basis von Atomstrom betrieben werden. Entsprechend den Direktiven zum Fünfjahresplan der DDR sollen Kem- kraftwerkskapazitäten am vorgesehenen Ausbau der Stromerzeugungsanlagen zu 27 Prozent beteiligt sein. Das würde bedeuten, daß bis 1980 drei weitere 440-MW-Reaktoren mit einer Gesamtkapazität von 1320 MW in Betrieb genommen werden müssen.

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