Atomenergie: Bis 2020 Tendenz fallend

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Vor 40 Jahren war Atomkraft die zukunftsträchtige Energie schlechthin. Eine quasi unerschöpfliche Quelle schien sich da aufzutun. Sie sollte bei der Stromerzeugung, dem Antrieb von Schiffen, aber auch der Erzeugung von Wärme für industrielle Prozesse zum Zug kommen. Letztlich wurde sie allerdings nur zur Stromerzeugung eingesetzt. Dennoch erlebte sie in den siebziger und achtziger Jahren einen richtiggehenden Boom in den Industrieländern: Zwischen 1973 bis 1993 verzehnfachte sich die Menge der aus Kernkraft gewonnenen Energie. Mitte der neunziger betrug ihr Anteil an der gesamten Stromerzeugung weltweit knapp über 17 Prozent, ein Wert, der nur knapp unter dem Beitrag der Wasserkraft lag.

1999 waren weltweit insgesamt 433 Kernreaktoren in Betrieb, die meisten von ihnen in den USA (104), in Frankreich (59) und in Japan (53). Auch acht Länder der Dritten Welt erzeugen Strom aus AKWs. Ein Blick auf die Liste der Länder, in denen Kernkraftwerke gebaut werden (1999 waren 37 in Bau), zeigt, dass derzeit ausschließlich in ehemaligen Ostblock- und in Dritte-Welt-Ländern neue Atomkraftwerke in Betrieb genommen werden.

Wie sehen nun die Zukunftsperspektiven der Kernkraft aus? Eine Untersuchung der Internationalen Atombehörde mit Sitz in Wien (IAEA) beschreibt die bisherige und die absehbare Entwicklung folgendermaßen: "Ab der Mitte der achtziger Jahre begannen die Zukunftsperspektiven der Kernenergie zu verblassen." Und dieser Trend werde sich fortsetzen, prognostiziert die IAEA: Sie rechnet damit, dass der Anteil der Kernenergie, von derzeit 16 Prozent bis zum Jahr 2020 auf 8,9 Prozent zurückgegangen sein wird (siehe Graphik).

In einigen Ländern werde die Atomenergie jedoch an Bedeutung gewinnen: Zu ihnen zählt die IAEA Brasilien, China, Indien und Korea. In Europa werde der Anteil der Kernkraft laut Prognose allerdings sinken. Und tatsächlich gibt es in der EU bereits eine Mehrheit von Staaten, die entweder ganz auf Kernenergie verzichtet haben oder aus ihr aussteigen werden (zuletzt beschloss Deutschland den Ausstieg aus der Atomenergie). Nur Großbritannien, Frankreich und Finnland halten an der Kernenergienutzung fest.

Von den zwölf EU-Beitrittskandidaten sind übrigens sieben Betreiber von Atomkraftwerken. Allerdings haben sich die Slowakei, Litauen und Bulgarien verpflichtet, Reaktoren der ersten Generation russischer Bauart in absehbarer Zeit abzustellen.

Mit 30 Prozent Anteil an der Stromerzeugung spielt die Kernenergie jedenfalls derzeit eine keineswegs vernachlässigbare Rolle bei der Elektrizitätsversorgung der EU. Darauf spielte die für Energiefragen zuständige EU-Kommissarin Loyola de Palacio kürzlich in Madrid an, als sie feststellte, Europa müsse auch in Zukunft auf Atomenergie setzen. Denn: "Wenn die EU aus der Kernenergie aussteigen würde, könnte sie ihre vertraglichen Verpflichtungen des Kyoto-Abkommens nicht einhalten."

Dementsprechend setzt sie nicht nur Maßnahmen zur Förderung alternativer Energie, sondern investiert weiterhin beachtliche Beträge in die Atomforschung. CG

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