Aus für "farbige Revolutionen"

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Weißrusslands Präsidenten geht das Geld zur Absicherung seiner Diktatur aus.

Revolution von oben statt von unten lautet das neue Rezept, mit dem der Westen der Demokratie in Aserbaidschan und anderen Post-Sowjet-Staaten zum Durchbruch verhelfen will.

Die roten Nelken, die drei aserbaidschanische Mädchen einem Rudel ausländischer Journalisten in die Hände drücken, sind kein Willkommensgruß: Die Gastgeber in der Kleinstadt Guba nahe der aserbaidschanisch-russischen Grenze erwarten sich vielmehr, dass ihre Gäste die Blumen vor einem Denkmal Haidar Alijews niederlegen. Der Personenkult um das erste Staatsoberhaupt Aserbaidschans und Vater des jetzigen Präsidenten Ilham Alijew ist allgegenwärtig - einige der Journalisten wollen dabei aber nicht mitmachen: "Ich fühle mich missbraucht", sagt ein Kanadier und weigert sich vor das Denkmal zu treten; ein Holländer macht sich einen Spaß und steckt sich die Nelke provokant ins Knopfloch.

Ende April hat die aserbaidschanische Regierung mehr als hundert Wissenschafter, Diplomaten und Journalisten nach Baku geladen, um im Rahmen der "Organization of the Islamic Conference" das Thema "Rolle der Medien im Aufbau von Toleranz und gegenseitigem Verstehen" zu diskutieren. Dass der aserbaidschanische Außenminister Elmar Mammadyarov dabei sein Referat für ein paar Seitenhiebe gegen den verfeindeten Nachbarn Armenien nutzt, geht ja noch, ist aus aserbaidschanischer Sicht verständlich, noch dazu, wo es von Mammadyarov heißt, er engagiere sich wirklich für einen Ausgleich. Doch in weiterer Folge über Medien zu diskutieren, im Wissen, dass ein halbes Dutzend aserbaidschanischer Journalisten im Kerker sitzt und erst vor kurzem ein unabhängiger Rundfunksender gewaltsam abgestellt wurde - das geht dann doch über jede Toleranz und jedes Verstehen hinaus.

Präsident für Pressefreiheit?

Aserbaidschanische Medienvertreter löchern deswegen auf der Tagung auch Miklos Haraszti, den OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit, ob und wie er diese Vergehen in Baku zur Sprachen bringen werde. Haraszti antwortet diplomatisch, kritisiert zwar die "zu hohe Zahl" von eingesperrten Journalisten, beruft sich dabei aber ganz auf Präsident Alijew, der selber vor zwei Jahren weniger politische Einmischung in die Medien gefordert haben soll.

Haraszti ist damit ganz auf Linie der Politik des Westens gegenüber Aserbaidschan: Nachdem der Dominoeffekt der "farbigen Revolutionen" in Georgien und der Ukraine in Aserbaidschan ausgeblieben ist, setzen USA und Europa nicht ohne Eigeninteresse (siehe Furche der letzten Woche) auf eine "Revolution von oben" und versuchen, Alijew mit Nachbarschafts- und Freundschaftsverträgen zu demokratischen Reformen zu drängen.

Revolution von oben oder von unten? Für einen ganz und gar nicht zur Oberschicht gehörenden Aseri zählt anderes: "Uns geht es heute wirtschaftlich wirklich besser!" Warum? "Die Opposition will auch nur an die Geldtöpfe - aber die hat nichts zu sagen. Und unser Präsident braucht sich nicht mehr zu bereichern, da hat sein Vater schon genug gestohlen, der kann jetzt wirklich etwas für unser Volk machen!"

Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko plant, in der zweiten Jahreshälfte Aserbaidschan zu besuchen, teilte der weißrussische Botschafter in Baku vor zwei Wochen der Presse mit. In den Caspian Business News war außerdem über den Ärger des Diplomaten zu lesen, wie sehr Weißrussland und Aserbaidschan doch unter dem westlichen Demokratieverständnis zu leiden hätten, das ihnen ohne Rücksicht auf die eigene Mentalität und Tradition "übergestülpt werde" - und die Stimme Minsks klagte: "Das kann doch auch nicht im Sinne des Westens sein, dass unsere Länder in Instabilität versinken."

Ganz im Gegenteil, zur Instabilität des weißrussischen Regimes trägt derzeit vor allem das russische Brudervolk bei, während die EU anlässlich ihres 50. Jahrestags im März Weißrussland sogar eine "Partnerschaft auf Basis europäischer Werte" vorgeschlagen hat. Seit Russland mit Jahreswechsel die Subventionierung des Nachbarn mit billigem Öl und Gas beendet hat, steht das weißrussische "Wirtschaftswunder" vor dem baldigen Aus. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Lukaschenko bis ans Kaspische Meer und darüber hinaus zu reisen beabsichtigt, um neue Energielieferanten für sich zu gewinnen.

"Lukaschenko steht wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand und sucht jetzt in allen Richtungen nach einem Ausweg", analysierte Moskau-Korrespondent Eduard Steiner letzte Woche bei einem in Kooperation mit der Furche durchgeführten Film- und Diskussionsabend zu Weißrussland in der Katholischen Hochschulgemeinde Graz.

Böse EU - auf einmal gut

Nicht einmal vor einer Anbiederung an die bislang verteufelte EU schreckt Lukaschenko dabei zurück - natürlich mit dem Hintergedanken, damit auch Russland zu drohen.

Auch für den weißrussischen Ex-Handelsminister und heutigen Oppositionellen Mikhail Marynich bewegt sich das Land auf einen Abgrund zu. Doch die Opposition kann diese Chance nicht nützen, bedauert Marynich, denn sie hat ihre Einigkeit vom letzten Jahr wieder verloren. Marynich, der unlängst in Wien medizinisch behandelt wurde und sich für einen vom Renner Institut arrangierten Runden Tisch zur Verfügung stellte, hofft indes darauf, dass sich die EU und Russland auf eine gemeinsame Position zu Weißrussland einigen.

Ein frommer Wunsch. Wahrscheinlicher ist, dass sich Lukaschenko sein Wohlwollen von der EU teuer abkaufen lässt - und wenn das nicht mehr hilft, meinen Experten, bleibe noch immer die Union mit Russland, und Lukaschenko kandidiere dann vielleicht sogar für den Kreml.

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