Ayasofya - Museum, Kirche, Moschee?

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Einst war die Hagia Sophia eine Hauptkirche der Christenheit. Die Osmanen machten sie zur Moschee. Dass sie heute ein Museum ist, stört jedoch viele.

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Einst war die Hagia Sophia eine Hauptkirche der Christenheit. Die Osmanen machten sie zur Moschee. Dass sie heute ein Museum ist, stört jedoch viele.

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"Istanbul oder Konstantinopel" hieß ein alter Schlager aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Bis in die Fünfziger- und Sechzigerjahre erlebte er noch einige Neuauflagen. Doch dann war die Frage nach dem Namen der Millionenstadt am Bosporus endgültig zugunsten von Istanbul entschieden. Ebensowenig schien es Zweifel daran zu geben, dass ihr Wahrzeichen, die Hagia Sophia (türk. Ayasofya), für alle Zeiten Museum bleiben werde. So hatte es der Vater der modernen Türkei, Kemal Atatürk, 1934 beschlossen. Nie mehr sollte den islamischen Türken ihre seit der Eroberung von Konstantinopel 1453 berühmteste Moschee durch christliche Mächte streitig gemacht werden können. Zuletzt war das zwischen 1918 und 1923 während der alliierten Besatzung der Fall gewesen. Besonders die mit dieser verbündeten Griechen hatten gehofft, dass die mächtige Kuppelkirche zur "Heiligen Weisheit" aus dem 6. Jahrhundert wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung zurückgegeben werden könnte.

Gebetsdemonstration in Istanbul

Der Ruf nach einer Rückverwandlung des Ayasofya-Museums in die Moschee, die es von 1453 bis 1934 gewesen war, wird neuerdings immer lauter. Nicht nur in der Türkei, noch mehr unter den türkischen "Deutschländern". Diesem Wunsch zuliebe sind in der Bundesrepublik, Österreich und der Schweiz schon 24 AyasofyaMoscheen aus dem Boden geschossen. Die Forderung der Islamszene in der Türkei nach einem Ende des musealen Status der Hagia Sophia mit seinem Verbot jeder religiösen Zeremonie, ja jedes öffentlichen Gebets in ihren Mauern erhielt zuletzt dadurch Auftrieb, dass 2010 einige hundert griechisch-orthodoxe Christen aus den USA in der einstigen byzantinischen Kathedrale ostentativ eine Messe feiern wollten.

So hielten jetzt Ende Mai, 559 Jahre nach dem Einzug des Eroberersultans Mehmet II. in die von ihm zur Moschee gemachte Hagia Sophia Tausende türkische Muslime vor dem Museum eine "Gebetsdemonstration" für seine Wiedereröffnung als Moschee ab: "Wir Nachkommen von Sultan Mehmet II. haben ein heiliges Recht auf die Ayasofya als Moschee", sagt Muslimjugendführer Salih Turhan.

Orthodoxe: Soll Museum bleiben

Die wichtigste christliche Institution in Istanbul, das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel, will nicht am gegenwärtigen Zustand rütteln: "Wir wünschen, dass es beim Museum bleibt. Dieser Zustand entspricht auch am besten dem weltlichen Charakter der modernen Türkischen Republik", sagt Pater Dositheos, Pressesprecher von Bartholomaios I. Der Istanbuler Grieche mit seinem türkischen Pass war bis vor wenigen Jahren als Chemiker "Gastarbeiter" in Deutschland. Nach der Pensionierung kehrte er in die Heimat zurück, um als "spätestberufener" Priester und Mitarbeiter seinem Patriarchen zu helfen. Die Griechisch-Orthodoxen haben erst im Vorjahr bittere Erfahrung mit einem Kirchen-Museum gemacht, das im Zug des heutigen türkischen Welle "Zurück zum Islam" wieder zur Moschee gemacht wurde: Und zwar keine geringere als die Ayasofya in Isnik, wo 325 das erste christliche Konzil getagt hatte.

Es wird in der Türkei überhaupt immer klarer, dass die gegenwärtigen Entgegenkommen an die christlichen Minderheiten keine Konzession an europäische Standards, sondern einfach eine Rückkehr zur alten osmanischen Praxis vor Atatürk sind. Dieser zufolge werden ehemalige Kirchen jetzt den Christen zurückgegeben. Was aber einmal Moschee war, muss das bleiben oder wieder werden. Im Prinzip hätte also auch Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in Ankara nichts gegen eine Rückverwandlung des Ayasofya-Museums zur Moschee einzuwenden. Aus Rücksicht auf die Weltmeinung hält er sich bislang jedoch damit zurück.

Für eine gemeinsame Nutzung der großen Ayasofya von Istanbul durch Muslime und Christen scheint die Zeit einfach noch nicht reif. So etwas hatte es nur einmal in Damaskus gegeben, wo die Johannes-Basilika zugleich islamische Omajjaden-Moschee war. Ebensowenig sind der Vision Atatürks von einer späteren Entwicklung des Ayasofya-Museums zu einem gemeinsamen monotheistischen Weisheitstempel in der heutigen Türkei allzuviel Anhänger geblieben.

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