Politik, gut gemacht

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Weltliche Überlegungen nach einer geistlichen Reise in die Türkei.

Ich mag diesen Papst", schrieb Leitartikler Hüseyin Hatem, "und sage ihm von ganzem Herzen: Willkommen Bruder!" Wer hätte gedacht, dass Benedikt XVI. in der öffentlichen Meinung der Türkei so reüssieren würde. Obige Zeilen fanden sich nicht in einem laizistischen Medium, sondern in der gemäßigt islamistischen Zeitung Yeni Safak. Man staunte: Keine zehn Wochen her war die Regensburger Rede des Papstes, die gerade in der Türkei mit wütenden Tönen bedacht wurde, "Kreuzfahrermentalität" und ähnliche Freundlichkeiten flogen dem römischen Ponitfex an den Kopf. Und nun stand Benedikt XVI. - wie alle anderen Besucher in Socken - in Istanbuls Blauer Moschee, meditierte mit geschlossenen Augen, einige sprachen gar von "beten": All das von jenem Joseph Ratzinger, dem muslimische Autoritäten im September unterstellt hatten, er wolle den Islam als Religion der Gewalt denunzieren.

Man mag darüber sinnieren, was bei den Auf und Abs der letzten Wochen beabsichtigt war und was nicht: Ob die Regensburger Zitate dem Papst "passiert" waren oder ob sie in Kenntnis möglicher Folgen gewählt wurden, wird wohl Spekulation bleiben, gleichfalls ob die Zeichen von Istanbul so gewollt waren, wie sie dann durch die Medien geisterten. Ist Benedikt XVI. - in totaler Umkehrung Kardinal Ratzingers - tatsächlich für den EU-Beitritt der Türkei eingetreten, wie der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nach seinem Gespräch mit dem Papst glauben machte?

Man hat des Papstes Reise in die Türkei im Vorfeld als seine politisch heikelste Mission bezeichnet. Dass sie - tagespolitisch - ein Erfolg war, ist auf einige handfest "irdische" Faktoren zurückzuführen: Man muss da allen Beteiligten konzedieren, dass sie die Konstellation als Win-Win-Situation begriffen haben, in der es für alle Interessen etwas zu holen gab: Ministerpräsident Erdogan wäre - entgegen seinen ursprünglichen Absichten - kaum auf den Flughafen Ankara geeilt, um den Papst zu begrüßen, wenn das nicht eine Chance gewesen wäre, um aus dem Eck, in das sich die Türkei von der EU gestellt sieht, ein wenig herauszukommen. Die kurze Begegnung mit dem Papst war so gesehen mehr als nützlich.

Aber auch Benedikt XVI. nutzte die Stunde auf seine Weise: Dass ein islamischer Ministerpräsident mit ihm zusammentraf, dass er zum Religionsbehördenleiter Ali Bardako D8glu, einem der schärfsten Kritiker der Regensburger Vorlesung, ging, machte zusammen mit dem Moschee-Besuch aus einem Hardliner der Abgrenzung zwischen Islam und Christentum - flugs - einen Anwalt des Dialogs der beiden Religionen.

Ähnlich kann die Bilanz des Anlasses für die Reise, des Besuchs beim Ökumenischen Patriarchen, gezogen werden: Bartholomaios I. ist von zwei Seiten in arger Bedrängnis. Dem türkischen Staat, der den Patriarchen gerade als "Oberpfarrer" der verbliebenen 2000 Orthodoxen im Lande behandelt, wurde da gezeigt, dass Bartholomaios außerhalb der Türkei sehr wohl anders gesehen wird. Und gegenüber Moskau, das immer unverhohlener seine Vertretungsansprüche für die Orthodoxie deutlich macht (auch hier gestützt auf die schiere Zahlenübermacht von 100 Millionen russisch-orthodoxer Gläubiger), stärkte der Besuch den Patriarchen.

Man mag einwenden, dies alles seien "weltliche" Gründe und lasse die spirituelle Dimension außer Acht, an der dem Papst ja in erster Linie liege. Mag sein. Und auch, dass dies alles ein glücklicher Moment, eine zufällig günstige Konstellation war - die Frage der Religionsfreiheit in der Türkei bleibe ebenso auf der Tagesordnung wie die Erstarrung der Beitrittsverhandlungen mit der EU. Stimmt. Aber man kann den Papstbesuch in der Türkei auch als Chance sehen - gute Politik machen heißt ja, gerade den glücklichen Moment zu nutzen. Das haben die Beteiligten in Ankara und Istanbul getan. Auch die in Istanbul und Feldkirch tätige Theologin Elisabeth Dörler, hierzulande die Expertin für christlich-muslimischen Dialog, bewertete in einer Radio-Diskussion die Papstreise in diesem Sinn. Wenn der einfache Türke, so Dörler sinngemäß, sehe, wie der Obermufti und der Papst in der Moschee friedlich nebeneinander meditieren, so präge sich das Bild ein: Christen sind doch keine Feinde. Solches zeigt, dass Benedikts XVI. Tage in Ankara und Istanbul zum Erfolg geraten sind.

otto.friedrich@furche.at

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