Am Anfang stand die Liebe

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Den interreligiösen Dialog konnte Papst Benedikt XVI. in der achtjährigen Amtszeit nicht fördern: Er verstörte bei einer Gedenkfeier in Auschwitz und erzürnte die Muslime.

Zu Weihnachten 2005, acht Monate nach seiner Wahl zum Papst, hat Benedikt XVI. die Enzyklika "Deus Caritas est“ veröffent-licht. Sie war sein erstes großes Dokument, eine Schrift über Gottes Liebe, die sich stark daran orientiert, wie sich diese Liebe ihr Volk erschuf, Israel. Damals hatte der Papst eine Verbindung zwischen Israel und dem griechischen Denken gesucht, das vor allem durch die biblischen Geschichten der Liebe gemessen war. Ein unvermutet frischer Auftakt, der die Hoffnung befeuerte, Benedikt würde die von seinem Vorgänger eingeleiteten Aussöhnungen - insbesondere mit dem Judentum - weitertreiben.

Im Mai 2006 besuchte Benedikt XVI. Auschwitz. Er sprach davon, dass er hierher kommen musste, weil er in der "Pflicht der Wahrheit“ stand; und Wahrheit bedeutete für ihn bezüglich der NS-Vergangenheit auch, dass "unser Volk zum Instrument ihrer Wut des Zerstörens und des Herrschens gebraucht und missbraucht werden konnte.“ Das irritierte, weil es nahelegte, dass das Volk willenlos preisgegeben war; und wenn der Volkswille derart geschwächt war, so blieb unverständlich, warum fast alle Träger der katholischen Kirche in Deutschland der Vernichtung von sechs Millionen Juden nichts entgegenzusetzen hatten. Von einem Papst, der während seiner deutschen Jugend nicht oppositionell war und am Beginn seines Pontifikats als Jahrhunderttheologe gepriesen wurde, hätte man erwarten dürfen, solche Zweideutigkeiten zu vermeiden.

Problematische Islam-Kritik

Im September 2006 ging er in Regensburg auf eine spätmittelalterliche Disputation um den Islam ein. Diese thematisierte die Frage der religiösen Gewalt. Warum er nicht vom Christentum sprach, dessen Gewaltgeschichte nicht weniger Stoff zu Reflexionen über die Unvereinbarkeit von Gewalt und Gottesglaube geboten hätte? Das lässt sich wohl damit erklären, dass der Islam, ganz grobflächig vermittelt und politisch instrumentalisiert, dem Christentum missionarisch gefährlich erscheint und zudem als Gewaltfaktor politisch eingespielt wird.

Beides weist auf den Kern Papst Benedikts hin und offenbart diese scheinbaren Missverständnisse, denen jeweils berichtigende Erklärungen folgen mussten, als Programm. Er wollte das katholische Christentum als die letztgültige Ausformung göttlicher Wahrheit und Offenbarung verstehen, formen und gegen äußere und innere Infragestellungen retten. Dass ihm dabei eine ganze Lawine von länderübergreifenden Skandalen das Leben und Denken schwer machte, weiß man. Diskussionen um einen möglichen Zusammenhang von priesterlich gefordertem Zölibat und verquerter Sexualitäts- und Gewaltphantasie, oft genug ins Werk gesetzt, trafen genauso das Fundament katholischer Ordnung wie die dann mitdiskutierten realen Lebensformen von katholischen Priestern oder die rigorose Haltung des Kirchenrechts gegenüber geschiedenen Wiederverheirateten.

Schwieriges Pontifikat

Nein, die Zeit seines nun freiwillig bald beendeten Pontifikats war nicht leicht. Am Anfang stand die Liebe, in der Mitte tobten Turbulenzen, die Benedikt XVI. mit der Konzentration auf das Zentrum des Katholischen zu beantworten suchte. Er rang mit den Pius-Brüdern und lud sie ein, sich wieder als Teil der Römisch-Katholischen Kirche zu verstehen; sie waren ihm wohl ein Stück Hoffnung auf einen Katholizismus, der seiner selbst sicher ist, klare Differenzen zwischen Klerus und Laien statuiert und so die an sich klare Struktur der Kirche wieder festigt.

Das sollte sich unmittelbar auf den priesterlichen Nachwuchs auswirken. Denn Priester wird ein Mann kaum, wenn man ihn mitleidig anblickt, als wäre er ein Versager, sondern wenn er wieder weiß, dass er heilige Geheimnisse verwaltet und sie Glaubenden anbietet, durch Gott und die Kirche ermächtigt. Beschämend war allerdings, dass sich in den Reihen einiger Rehabilitierter auch der bekannte Shoa-Leugner Richard Williamson fand und man hernach so tat, als hätte man davon nichts gewusst.

Vielleicht ist der angekündigte Rücktritt des Papstes ein letzter Rückzug. Die Brücke zum Judentum hat er nicht weitergebaut. Für eine Brücke zum Islam gibt es kaum Pläne. Ahnliches gilt auch für einen Kernbereich des Katholischen, für die unter steigenden Lasten knirschenden und aufschreienden Priester, die ausbrennen und sich vor ihrem Ende durch Ungehorsam schützen wollen. Und nun zieht sich der Papst von all dem zurück, weil die Gesundheit und das Alter ihm nicht mehr Kraft genug belassen, um weiter zu machen.

Ist dieser Rückzug ein Ausdruck seiner Resignation? Zu einem Teil trifft das gewiss zu. Die Ernte des "Arbeiters im Weinberg des Herrn“ (Benedikt XVI., 19.4.2005) ist eher bescheiden, ebenso die Aussicht auf noch Mögliches. Doch das kann am Ende etwas Wichtiges lehren, das Benedikt XVI. in "Deus Caritas est“ schon geschrieben hat: Nämlich die "Hoffnungsgewissheit, dass Gott die Welt in Händen hält.“ Und das ist wirklich entscheidend.

Der Autor ist Professor für Fundamentaltheologie an der Universität Wien

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