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Demnächst mit Atomstrom

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Auf. der Suche nach einer neuen Form der Zusammenarbeit befinden sich Österreichs Stromversorgungsunternehmen. Zwar sind Verbundgruppe und Landeselektrizitätsgesellschaften schon seit Jahren bestrebt, diese „neue Form“ zu finden — mit den bereits zwischen einzelnen Unternehmen abgeschlossenen Koordinierungsverträgen wurden auch wesentliche Fortschritte erzielt —, aber das Ziel, nämlich die Errichtung eines gemeinsamen Kraftwerkes auf Grund neuer gesellschaftsrechtlicher Formen, wurde noch nicht erreicht. Neuen Auftrieb, sich endgültig auch zu diesem Schritt zu entschließen, gibt nun die von Minister Weiß angekündigte baldige Errichtung eines ersten österreichischer. Atomkraftwerkes. Es soll, wie verlautet, zwischen Krems und Korneuburg im nieder-österreichischen Donautal gebaut werden und ein 600 Megawattkernkraftwerk sein, das mit dieser Leistungsgröße die herkömmlichen Dampf- oder Wasserkraftwerke um Runden an Wirtschaftlichkeit schlagen wird. Seh.e Baukosten mit rund drei Milliarden Schilling sind nicht höher als die eines etwa nur halb so leistungsfähigen Wasserkraftwerkes. :

Allein die technischen Grunddaten veranschaulichen auch dem E-wirt-schaftlichen Laien, daß diese wirtschaftlicheren Kernkraftwerke in Zukunft das „Stromerzeugungsbild“ eines Landes beherrschen werden, da sie weitaus billigeren Strom produzieren können, wie die Kraftwerke herkömmlicher Bauart.

Damit aber wird der Bedarf an kleinen Wasser- oder Dampfkraftwerken, wie sie bisher vor allem von den Landesgesellschaften errichtet wurden, ebenso immer geringer rden, wie der an den herkömmlichen Großkraftwerken der Verbundgruppe. Für die Landesgesellschaften erhebt sich daher die Existenzfrage, in welcher Form sie an den künftig zu errichtenden Kernkraftwerken beteiligt werden können.

Es gilt für sie vor allem Einvernehmen mit der Verbundgruppe herzustellen, die heute bei nahezu allen Sondergesellschaften — die laut Gesetz Großkraftwerke zu betreiben haben — für den Bund die überwiegende Aktienmehrheit verwalten. Nun haben die Landesgesellschaften das Schlagwort der „echten Partnerschaft“ geprägt. Damit wollen sie ankündigen, daß sie in Zukunft gerne über die bisher übliche gesellschaftsrechtliche Beteiligung an Großkraftwerken hinaus gehen und künftighin auch ein Miteigentum an den leistungsstarken Kernkraftwerken eingeräumt erhalten wollen. Es erhebt sich daher die Frage, ob das neue Atomkraftwerk überhaupt als Großkraftwerk im Sinne des Zweiten Verstaatlichungsgesetzes anzusehen, sein wird. Dann nämlich wäre eine Mindestbeteiligung des Bundes über den Verbund mit 50 Prozent der Aktien auch am Atomkraftwerk erforderlich. Die Anteilsrechte der einzelnen Landesgesellschaften aber wären damit kaum gegenüber jenen an den bestehenden Großkraftwerksunternehmen gewachsen. Es steht aber fest, daß Atomkraftwerke in Zukunft einen weitaus größeren Teil des Strombedarfs der einzelnen Landesgesellschaften decken werden als die bislang errichteten Großkraftwerke, da sie ja, wie gesagt, weit höhere Kapazitäten als diese haben. Das aber wird sich durch eine noch geringere Bautätigkeit der Landesgesellschaften ausgleichen müssen. Die Forderung der Landesgesellschaften nach mehr Mitsprache bei Atomkraftwerken und damit nach mehr wirtschaftlicher Mitbeteiligung besteht also zu Recht. Es bleibt daher nur eine Möglichkeit, die Stärkeverhältnisfrage für beide Seiten annehmbar zu lösen: Die rechtliche Definition der „Großkraftwerke“ im zweiten Verstaatlichungsgesetz muß in der Richtung überprüft werden, ob sie auch bei Atomkraftwerksgesellschaften anzuwenden ist. Schwerwiegende Argumente freilich hört man aus dem Lager der Ärzte. So hat die niederösterreichische Ärztekammer in einem Memorandum (siehe Kasten!) ausdrücklich vor der Errichtung von Atomkraftwerken gewarnt.

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