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Parteitaktische Erwägungen

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So weit die Fachleute. Das letzte Wort werden allerdings, wie es in Österreich üblich ist, die Politiker prechen. Im steiermärkischen Landtag vurde erklärt, es ginge bei diesem Jtreit nicht um einen Kampf gegen

Oberösterreich, es sei eher eine Auseinandersetzung zwischen Zentralismus und Föderalismus: „Die Stromfremd-oezüge der Landesgesellschaften sollen nach dem Wunsch der Verbundgesellschaft erhöht werden, um die Landesgesellschaften in ihre Abhängigkeit zu bringen.“ (Dr. Kaan.) Ganz stimmt diese Theorie allerdings nicht, denn die oberösterreichische Landesgesellschaft OKA ist immerhin mit 44 Prozent an den Ennskraftwerken beteiligt. Eines aber ist sicher: Auf Kosten der Bevölkerung und auf Kosten der österreichischen Volkswirtschaft wird aus parteitaktischen Erwägungen eine drängende Entscheidung hinausgezögert. Nicht nur in Graz, auch in sonst recht wohlinformierten Wiener Kreisen wird davon gesprochen, daß trotz eines Vorstandsbeschlusses der Verbundgesellschaft vom 28. Februar dieses Jahres, Kastenreith an bevorzugter Stelle in das Ausbauprogramm aufzunehmen, gar nicht daran gedacht wird, dieses Projekt zu verwirklichen. Sollte es nur noch um das Prestige gehen? Ist Kastenreith nur ein Mittel, um die Landesgesellschaften, in diesem Fall also die STEWEAG, in die Knie zu zwingen, damit die Zentralisierung endlich durchgesetzt werden kann? Die Landesgesellschaften als Mitbezahler und bloße Stromverteilerl Ist Kastenreith nur eine Waffe im Kampf um das neue Elektrizitätsgesetz?

Der oberösterreichische Landtag hat eindringlich an die Regierung appelliert, endlich eine Entscheidung zu treffen. Aber die Bundesregierung weicht seit geraumer Zeit „heißen“ Entscheidungen geflissentlich aus. Der nahende Wahltermir !äßt in dieser Beziehung keinen Wandel erhoffen. Bleibt also noch der Weg einer Säumnis-beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, der diese umfassende Materie mit gebührender Sorgfalt behandeln wird. Inzwischen fließt viel Wasser die Enns hinunter, Wasser, aus dem dringend notwendige Energie gewonnen werden könnte. Man darf Kastenreith als eines der Symptome unserer Innenpolitik bezeichnen: Ein kleines Problem gegenüber den größeren Aufgaben, die unser noch harren. Ein kleines Problem, das nicht gelöst wird.

Die Steiermark hat schon vorgeschlagen, die beiden auf oberösterreichischem Boden liegenden Enns-Stufen Kleinreifling und „Klein“-Kastenreith sollten die Oberösterreicher ausbauen. Landeshauptmannstellvertreter Bernaschek bezeichnete diesen Vorschlag allerdings als „glatte Verhöhnung Oberösterreichs“. Nun hat Landeshauptmann Krainer dieses Angebot erweitert: „Wir bauen bis zur Landesgrenze von Oberösterreich unsere noch offenen Stufen Krippau und Landl aus. (Die Stufe Altenmarkt besteht bereits.) Die Endstufen auf oberösterreichischer Seite werden entweder von der OKA oder von den Ennskraftwerken ausgebaut. Wir sind bereit, alle Vorteile der Schwellung und die Vorteile der einzelnen stei-rischen Stufen der OKA oder den Ennskraftwerken anzubieten, und zwar in der Weise, daß eine gemeinsame Betriebsführung aller fünf Stufen mit einem finanziellen Erfolgsausgleich vorgeschlagen wird, so daß aus diesem Fünf-Stufen-Projekt einheitliche Stromkosten für alle Beteiligten möglich werden. Wir sind weiter bereit, im Rahmen der österreichischen Energiewirtschaft uns an Sondergesellschafteh mit Eigentumsanteil zu beteiligen. Wir denken hier vor allem an die noch offenen Drau-Stufen.“

Wahrscheinlich werden die Gesprächspartner in Oberösterreich diesen „Vorschlag zur Güte“ ablehnen. Sie werden auf Kastenreith beharren. Und wenn nun wirklich die Entscheidung zugunsten von Kastenreith fällt? Dann wird es noch mehr als zehn Jahre dauern, in denen die Wasserkraft der Enns in dem betreffenden Gebiet ungenutzt bleibt. Es fragt sich wirklich, ob die in dieser Zeit verlorengegangenen Millionen von Kilowattstunden durch ein Monsterkraftwerk wieder gutgemacht werden können. Es fragt sich auch, ob in 20 Jahren nicht schon andere Möglichkeiten der Energiegewinnung dominieren, mit denen die Wasserkräfte nicht konkurrieren können. Vielleicht klingt die Bemerkung des technischen Amtssachverständigen im Widerstreitverfahren etwas banal: „Doppelt gibt, wer schnell gibt.“ Möglich, daß es banal klingt. Aber es stimmt sicher — „im gegenständlichen Fall“.

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