Dialog sollte im Schweigen enden

19451960198020002020

Von interreligiösem Dialog ist viel die Rede. Ein Lehrgang will Christen für das diesbezügliche Gespräch mit Hindus fit machen.

19451960198020002020

Von interreligiösem Dialog ist viel die Rede. Ein Lehrgang will Christen für das diesbezügliche Gespräch mit Hindus fit machen.

Werbung
Werbung
Werbung

Interreligiöse Begegnungen zwischen Hindus und Christen waren bisher auf die wissenschaftliche, universitäre und religiös-institutionelle Ebene konzentriert; interkultureller Austausch fand hier zumeist in Gestalt von Kongressen und Exkursionen nach Indien statt. Ab Oktober bietet das Salzburger Bildungshaus St. Virgil eine neue Form der Begegnung der beiden Religionen an. Erstmals wird im Rahmen der Erwachsenenbildung für interessierte und motivierte Laien ein Grundkurs "Hinduistisch-Christlicher Dialog" angeboten, dessen Inhalt die Einübung interreligiöser und interkultureller Begegnung ist.

Der Theologe Ernst Fürlinger, Studienleiter im St. Virgil, sowie der Religionspädagoge Franz Nikolaus Müller vom Religionspädagogischen Institut Salzburg leiten diesen Kurs. Müller, seit vielen Jahren auch als Meditationslehrer tätig, über den Dialog unterschiedlicher Religionen: "Durch den Dialog mit einer anderen, einer fremden Religion, kommt bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern stets vor dem interreligiösen Dialog ein intrareligiöser Dialog in Gang. Auf der Folie einer anderen Religion beginnen die Menschen, ihre eigene Religion ,neu', das heißt lebendig, forschend zu betrachten." Die wissenschaftliche Leitung des Kurses liegt bei der Religionswissenschaftlerin Bettina Bäumer, die seit 1967 in Varanasi (Benares) lebt und im Sommersemester 2000 an der Theologischen Fakultät in Salzburg lehrt.

Die Furche: Wie erfahren Sie als Christin in Indien Dialog?

Bettina Bäumer: Ich bin vor 32 Jahren nach Indien, nach Benares, also ins Zentrum des Hinduismus gekommen; es hat mich nicht mehr los gelassen, die Faszination hält noch immer an. Das heißt aber nicht, dass es einfach ist, aber die Hindernisse gehören mit dazu. Der Dialog, den man in Indien führt, ist ein ganz anderer, als der, den man hier auf der akademischen Ebene oder in einem Bildungshaus führt. Man muss zuerst sehr viel zuhören, sehr viel lernen und sehr demütig sein, bis man etwas beitragen kann oder sich ein Austausch ergibt. Ich spreche perfekt Hindi und habe in Indien einige Jahre unterrichtet, was auch eine Form des Dialogs ist; weiters führe ich Dialog mit Intellektuellen, Künstlern und den sogenannten "einfachen" Menschen. In Indien kann man auf der Straße mit den einfachsten Menschen über Religion reden, das ist immer lebendig, nicht wie im Westen etwas Künstliches, Akademisches - es ist ein Sich-Anregen. Auch wenn man im Zug fährt, hört man Gespräche über zwei große Themen: Religion und Politik, alles andere ist nicht interessant. Ich bin einerseits als Wissenschaftlerin in Indien, andererseits aber auch auf dem Gebiet des Dialogs. So führe ich in mir selbst den Dialog zwischen dem Christentum, das ich mitgebracht habe, und dem Hinduismus, den ich hier erfahre.

Die Furche: Welche Voraussetzungen braucht der Dialog zwischen Hindus und Christen?

Bäumer: Die Geschichte stellt eine Belastung des interreligiösen Dialogs dar: Christentum wird mit Missionierung durch die Kolonialherren assoziiert; mehrere hundert Jahre Kolonialherrschaft lassen sich nicht wegwischen, die Erfahrungen damit sind tief verwurzelt. So muss man auf einer anderen Ebene, der spirituellen Erfahrung, der Mystik, ansetzen. Ich siedle den Dialog also jenseits der Macht, der Politik an. Bevor jedoch wirklicher Dialog stattfinden kann, müssen wir genügend Hintergrundwissen über die Religion des Dialogpartners schaffen. Von christlicher Seite wird oft negativ über den Hinduismus geurteilt; referierte ich vor 20 Jahren in Europa über Hinduismus, so kamen immer Fragen zu den heiligen Kühen, später dann zum Kastensytem. Kultur ist Grundlage der Religionen, man kann Religionen nicht verstehen, wenn man ihre Kultur, ihre Kunst nicht verstehen will. Die erste Stufe des Dialogs ist immer das Abbauen von Vorurteilen, das nimmt einen Großteil der Zeit in Anspruch.

Die Furche: Welches Ziel kann ein Kurs über den hinduistisch-christlichen Dialog erreichen?

Bäumer: Wer an diesem Kurs - an allen Wochenenden - teilgenommen hat, ist danach befähigt, sich mit einem Hindu zu unterhalten. Er beziehungsweise sie versteht Dinge, die in Indien vor sich gehen. Das zu vertiefen ist ja auch das Ziel der Exkursion nach Varanasi Anfang Jänner 2001. Die Teilnehmer werden aber auch besser, das heißt: deutlicher verstehen, was im Westen in esoterischen Kreisen vor sich geht. Man muss mehr über eine Religion wissen, um berurteilen zu können, wie seriös ein sogenanntes esoterisches Angebot ist. So nehmen immer häufiger auch die Referenten für Weltanschauungsfragen der christlichen Kirchen an solchen interkulturellen und interreligiösen Dialogen teil. Wenn jemand wenig Wissen und Erfahrung hat, dann kann er den Fragenden keine Antworten geben und wertet sie lediglich ab; etwas wird jedoch nur dann zur Sekte, wenn es aus einem größeren Kontext abgespalten wird.

Die Furche: Dialog und Schweigen: ist das ein Widerspruch oder eine Voraussetzung?

Bäumer: Der Dialog sollte im Schweigen enden. Die Meditation ist ein wichtiger Teil des Virgil-Kurses; soviel wie geredet wird, so viel sollte geschwiegen werden. Ohne Schweigen ist kein Dialog möglich.

Bettina Bäumer, Jahrgang 1940; Studium der Theologie, Indologie, Philosophie. 1967 Promotion in München bei Karl Rahner. In Wien in Religionswissenschaft an der katholisch-theologischen Fakultät habilitiert. Seit 1967 in Varanasi, Forschung in Sanskrit, indischer Philosophie und Kunst. Gastprofessorin an mehreren Universitäten; engagiert im hinduistisch-christlichen Dialog.

TIPP Grundkurs Hinduistisch-christlicher Dialog Einübung interreligiöser und interkultureller Begegnung Aus dem Programm: Religiöse und philosophische Systeme im Hinduismus. Mythen und Riten. Volksreligiosität. Religion und Gesellschaft. Religiöse Schriften. Hinduistisch-christlicher Dialog.

Kursleitung: Mag. Ernst Fürlinger und Dr. Franz N. Müller Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Bettina Bäumer, Varanasi Zeit: 8 Wochenenden zwischen Oktober 2000 und Juni 2001; Studienreise nach Varanasi: 27. Dezemebr bis 10. Jänner Informationen: Bildungshaus St. Virgil/Kurssekretariat, 5026 Salzburg, Ernst-Grein-Straße 14, Tel. 0662/65901-535, -514, Fax: -509, E-Mail: office@virgil.salzburg.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung