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Symposion in Salzburg

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In seinem neuen Heim auf der Edmundsburg, Salzburg, die, so muß eingangs erinnert werden, dank der opferbereiten Spenden vieler Österreicher, Mitglieder des Katholischen Universitätsvereins, künstlerisch restauriert dem Geistesleben nun zur Verfügung steht, veranstaltete das Institut für Universalgeschichte des Internationalen Forschungszentrums für Grundfragen der Wissenschaft ein erstes Symposion. Die dreitägige Arbeitstagung (vom 27. bis 29. September) stand unter dem Titel „Die universalgeschichtliche Bedeutung des europäischen Geistes” und diskutierte weitausgreifende Themen: „Die antike Welt wird christlich” (Prof. Dr. Endre von Ivänka), „Kirche und Reich im Abendland” (Dozent Dr. Robert John), „Formen und Wege europäischer Expansion” (Prof. Dr. Alexander vor Randa), „Die Sicht der Wirklichkeii als Natur” (Prof. Dr. P. Beda Thum OSB.), „Der Mensch als Person” (Dozent Dr. P. Viktor War- nach OSB.), „Das Recht als Maß dei Macht” (Dozent Dr. Rene Marcic), „Die Eigenständigkeit der Philosophie als Postulat der Theologie” (Professor Dr. P. Karl Rahner SJ.), „Der Ferne Osten: Streben nach Harmonie” (Professor Dr. Ernst Florian Winter), „Die Spiritualität Indiens” (Dr. Raymonc Panikkar), „Die Dynamik der prophetischen Religionen” (Dr. Matthias Vereno). Markante Beispiele der europäischen Geistesentwicklung konfrontierten die eigenständige Geisteshaitunt klassischer Hochkulturen. Welche heilsgeschichtliche Bedeutung mag wohi einer europäischen Selbstbesinnung Gewissenserforschung und erneuter Begegnung mit nichtwestlichem Geistesgut am Wendepunkt unserer Zeit innewohnen?

Daß gerade in Österreich das erste internationale und bewußt christliche Forschungszentrum zur Erörterung und Klärung solch enormer Problematik ins Leben gerufen wurde, zeugt von dei geistigen Substanz dieses Landes, dessen Geschichte, trpfz, iiUtę gSĘ - nungen, stolz auf weltimntanentc wissenschaftliche, religiöse und soziale Errungenschaften hinweisen kann Einem österreichischen Heimkehrei nach 23 Jahren „Weltweite” im fernwestlichen und fernöstlichen Raum locken besonders die fruchtbaren Begegnungen, Gespräche und Forschungsaufgaben, die gerade vom Standort österreichischer christlicher und sozialei Vitalität aus in Konfrontation mit anderen Kulturen, Nationen und Geistesrichtungen nun am wissenschaftlichen Forum in Salzburg gepflegt werden können.

Von vielem entlastet, könnten sich aber nicht nur Gelehrte, sondern ganze Nationen des neuen Europas nun den großen kommenden Weltfragen und Weltnöten zuwenden. Dies muß keine Absage an die Traditionen bedeuten, sondern kann sich vielmehr zu einem tätigen Hinhorchen auf und Mitwirken an den Lösungen weltdimensionaler Problematik entwickeln.

Vier Wege zu neuer Geistigkeit

Wie kam es dazu, daß der ganzen nichteuropäischen Kulturwelt heute die rationale Plattform der Diskussion gewissermaßen aufgezwungen wird? Der Ursprung liegt weit zurück, als sich in einem Zeitalter allgemein menschlicher Erleuchtung vier Wege zu einer neuen Geistigkeit und Sittlichkeit abhoben: Die Juden hörten die Wahrheit durch die Prophetie; die Chinesen suchten sie im soziologischethischen Bereich; die Inder vornehmlich im Psychologischen; die Griechen aber im Physikalischen. Auf diesem Weg gelang ihnen auch die sachliche Konzeption des Menschen. In eine solcherart weitgehend „entmythologi- sierte” Begriffswelt brach dann die biblische Offenbarung. Es gelang der christlichen Antike eine Synthese von Offenbarungsglauben und rationalintellektueller Erkenntnis. Von Ostrom und seinen geistigen Erben wurde diese Synthese in vielen Teilen ehrfürchtig bewahrt. Im sogenannten „Abendland”, aus dem von Germanen überströmten Westrom erstanden, zeichneten sich einige „Modernisierungsprozesse” ab. Eine begriffliche Rationalisierung aller Seinsbereiche samt Glaubensgut vollzog sich in der Scholastik; ihre mannigfaltige Säkularisierung erreichte einen Höhepunkt in der Neuzeit.

Wenn von „Europa und den anderen ernsthaft zu sprechen ist, dann stellt sich immer wieder die Frage: Wie verhält sich das Christentum und seine Theologie zur Philosophie und zu den anderen Religionen. Prof. Karl Rahner SJ. versuchte dieses heiße Eisen anzupacken. Es geht ihm nicht um „christliche Philosophie”, sondern um die Einheit in Unterschiedlichkeit von Theologie und Philosophie als ursprünglich dargetan und von der Theologie her begründet. Offenbarung wird konkret immer von einem Menschen gehört, der schon anderes weiß, darum ist sie keimhaft immer auch schon Theologie, und diese ihrerseits unvermeidlich auch Philosophie. Wenn man mit dem Glauben an den allgemeinen Heilswillen Gottes Ernst macht, muß man eine Heilsgeschichte annehmen, die sich mit der Menschheitsgeschichte räumlich und zeitlich deckt, die notwendig auch Offenbarungsgeschichte sein muß (Offenbarungsgeschichte als begrifflich-re- flexe Thematisierung der göttlichen Selbstmitteilung). Europa hat nun den Auftrag, in der ganzen Welt für die Offenbarung Christi Zeugnis abzulegen. Es kann dabei nicht einfach seine Philosophie aufgeben, um eine „nackte” Theologie zu gewinnen; es kann aber auch nicht seine bisherige Philosophie als „Weltphilosophie” fortsetzen. Da in der außerchristlichen Welt die Gnade Christi schon längst am Werke ist, können außereuropäische Philosophien die ausdrücklich christliche Philosophie korrigieren.

Europa und die anderen

Was kann ein kündigendes Europa, seiner Machtansprüche weitestgehend entleert, um einer Präzisierung und Korrektur seiner eigenen Denkentwicklung willen bei einem Hinhorchen auf die Vielfalt des Geistes und der Lebenserfahrung der chinesischen, indischen und islamischen Hochkulturen wohl gewinnen? Eine Aufgeschlossenheit gegenüber dem den , Chuiesem! igene8’.f,Ringen um . Selbsterkenntnis. . köSihikhe Sicherheit, etHHchfis Richtlinien und sozialer Harmonie hat mindestens schon einmal (in der Aufklärung nämlich) die universalgeschichtliche Komponente des europäischen Geistes nachhaltigst befruchtet.

Genau so lehrreich kann die indische Geisteshaltung sein, die gleichsam einen Gegenpol zu der zur Zeit einseitig westeuropäischen Geisteshaltung (in seiner abendländisch-christlichen oder säkularisierten Form) darstellt. Der katholische Priester aus Indien, Panikkar, erklärte, wie im europäischen Denken der Satz vom Widerspruch (genaue Unterscheidung und Abgrenzung) den Primat hat, während es in Indien das Identitätsprinzip sei. In Europa herrscht (unter den Zügeln der prudentia) ein „Panjuridismus”, in Indien ein „Pancordismus” vor. Das Ideal des Westens liegt in der Unterscheidung von Bedürfnissen (die oft zuerst hervorgerufen werden!) und im Finden der Mittel zu ihrer Befriedigung. Indiens Ideal liegt in der Vereinfachung und Überwindung — nicht in der Verneinung - aller Bedürfnisse (auch der intellektuellen).

Vielleicht noch schwerer zugänglich als Indiens Geistesgut ist das des Islam, der die Dynamik einer prophetischen Religion und das Ziel einer irdischen Gottesherrschaft in einer der europäischen Dynamik konkurrierenden Unmittelbarkeit erhalten hat. Das Wesentliche über den Willen Gottes in bezug auf Weltgestaltung, moralische und soziale Gesetze hält der Islam für grundsätzlich geoffenbart. Für ihn heißt es lediglich, weltimmanent noch nachzuvollziehen. Die Schwierigkeit eines fruchtbaren christlich-islamischen Gesprächs liegt daher gerade darin, daß beide Seiten die Möglichkeit, voneinander lernen zu können, ausschließen. Und doch hängt viel in der Zukunft auch von einem echten Dialog hier ab.

Es ist ein gutes Vorzeichen für ein Forschungszentrum, daß die Diskussionsbeteiligten sich zu keiner einigenden Zusammenfassung finden konnten. Vieles kam ja überhaupt zu kurz. Aber gerade die vielen offen gelassenen Fragen und kontroversen Thesen garantieren dem vielseitigen Forschungspersonal und Gästen weiterhin genügend Stoff für emsige, klärende Arbeit.

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