Die Lobbyistin mit dem Löffel

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Michaela Moser gibt sich nicht schnell zufrieden: nicht mit der katholischen Kirche, in der sie sich lange engagiert hat; und schon gar nicht mit dem Missstand, dass es im reichen Österreich noch immer chronische Armut gibt.

Was für eine Pracht! Fünf Fischbassins werden von Arkadengängen gesäumt, Samson, David, Triton, Neptun, Petrus und Tobias speien Wasser und die Wände sind mit äbtlichen Jagdtrophäen geschmückt. Hier, im kühlen „Fischkalter“ des Stiftes Kremsmünster, ist an schweißtreibenden Sommertagen gut weilen. Auch eine 43-jährige Frau mit spitzbübischem Lächeln sitzt hier, um durchzuatmen. Denn schon bald wird sie drüben, im noch prächtigeren Kaisersaal, einen Vortrag halten: über strukturelle Armut in Europa.

„Gerechtigkeit will ich – Christliche Provokation für die Ökonomie“ lautet der Titel der 12. Ökumenischen Sommerakademie, als deren Gast Michaela Moser nach Kremsmünster gekommen ist. Provokationen sind der feministischen Theologin und Anti-Armuts-Lobbyistin durchaus geläufig. Ob katholische Kirche, österreichisches oder europäisches Polit-Parkett: Mit ihren Thesen und Forderungen ist sie nicht selten der personifizierte Stachel im Fleisch des Systems.

Das System Kirche hat es ihr jedenfalls nicht leicht gemacht. 1967 in Kufstein geboren, ist sie von Kindheit an in der Pfarre engagiert. Ihr Religionslehrer in der HAK gibt ihr sogar die Möglichkeit, bei Schulgottesdiensten zu predigen. „Eigentlich wollte ich das zum Beruf machen“, erzählt Moser, „aber es war klar, dass das für mich als Frau nicht in Frage kommt.“

Aus Interesse entschließt sie sich dennoch für das Studium der katholischen Theologie in Innsbruck – und wird dort von einer der Pionierinnen der feministischen Theologie in Österreich, Herlinde Pissarek-Hudelist, sowie vom Sozialethiker Herwig Büchele geprägt. Die junge Studentin engagiert sich beim eben erst gegründeten Frauenforum Feministische Theologie, geht für ein Jahr ins holländische Nijmegen und finalisiert 2004 ihre Diplomarbeit über feministische Ethik. Als sie sich für eine Assistentenstelle in Wien bewirbt, stößt sie freilich auf Mauern. „Ich war wohl zu feministisch und zu radikal und was weiß ich“, glaubt sie rückblickend. „Da war schon klar: Es wird schwierig mit mir und der Kirche.“

Über ihre Anstellung als theologische Assistentin der Katholischen ArbeiterInnenjugend Österreichs wird sie indes immer öfter mit Armutsfragen konfrontiert. 1998 findet Michaela Moser schließlich in der „Armutskonferenz“ eine neue Heimat – und ihre eigentliche Berufung.

Entfremdete Kirche

Schmerzt es sie noch, dass ihre priesterliche Berufung nicht zu verwirklichen war? „Mich schreckt eher, wie schnell man sich entfremdet“, meint Moser nachdenklich. Religion und Kirche interessieren sie zwar immer noch. Auch in ihrer Kufsteiner Heimatpfarre fühlt sie sich aufgehoben. Und die puristische Spiritualität und gelebte Solidarität der Quäker, die sie im Rahmen ihrer Philosophie-Doktorarbeit über das „Gute Leben“ an der University of Wales kennengelernt hat, beeindrucken sie nach wie vor. „Aber ich will auch frei denken können und keine Energie darauf verwenden, irgendwelche Bischöfe davon zu überzeugen, dass der Zölibat unnotwendig ist“, betont sie. „Eine gute Mindestsicherung für armutsbetroffene Menschen ist mir wichtiger.“

Gerade punkto Mindestsicherung habe man derzeit freilich zu kämpfen: Das nun geplante Modell erfülle „nicht einmal rudimentär“, was die Armutskonferenz schon vor 15 Jahren entwickelt habe. Das Argument, in Zeiten der Krise könne man sich nicht mehr leisten, lässt Moser jedenfalls nicht gelten: „Die Bankenrettung hat gezeigt, wie schnell wie viel Geld bewegt werden kann, wenn nur der politische Wille da ist.“ Diesen Willen zu beeinflussen ist ihre Aufgabe als Lobbyistin. Doch oft beiße man auf Granit, klagt die vielbeschäftigte, kinderlose Frau, die auch als Vizepräsidentin der Europäischen Armutskonferenz aktiv ist und seit 2004 das PR-Büro des Dachverbandes der staatlich anerkannten Schuldenberatungen Österreichs leitet. „Kaum hat man etwas mit einem Minister oder einer Ministerin erarbeitet, kommt die nächste Wahl und man kann wieder von vorn beginnen.“

Andererseits habe sie auch manches erreicht: So sei es gelungen, die geplante Abschaffung der Notstandshilfe zu verhindern. Vor allem aber sei den meisten Menschen bewusst geworden, dass es auch im reichen Österreich noch immer Armut gibt. Dieses „Sichtbarwerden“ betroffener Menschen sowie ihre Vernetzung wird von der Armutskonferenz in einem gleichnamigen Projekt forciert. Der Löffel, so Moser, stehe als Symbol für dieses faire Verteilen – gerade im heurigen Europäischen Jahr der Armutsbekämpfung.

Sie selbst bleibt jedenfalls hartnäckig – und blickt nicht zu weit nach vorn: „Ich denke nicht so an die Ewigkeit“, meint die Frau mit dem spitzbübischen Lächeln inmitten der Kremsmünsterer Pracht. „Wenn es durch mein Tun zu konkreten Verbesserungen im Leben von Menschen kommt, dann bin ich schon zufrieden.“

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