"Ein subkutanes Angstgefühl"

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Nahost- und Islamexperte Udo Steinbach über das Unverständnis zwischen islamischer und westlicher Welt, das Un-Wort "Säkularisierung" und Österreichs Minarett-Streit.

Die Furche: Herr Professor Steinbach, Sie betrachten den Nahostkonflikt als Ausgangspunkt des geradezu programmierten Nichtverstehens zwischen der islamischen und der westlichen Welt. Inwiefern?

Udo Steinbach: Der Nahostkonflikt zeigt einen dominanten Westen, der sowohl seine politischen Interessen und Wertvorstellungen realisiert, als auch nicht zögert, gegebenenfalls mit Gewalt einzugreifen. Damit werden viele Ansätze von Modernisierungsbemühungen in der islamischen Welt buchstäblich zertreten. Die konstruktiven Stimmen werden unhörbar gemacht. Und immer hörbarer werden die Stimmen der Radikalen, die auf der Wellenlänge der Gewalttätigkeit und des Terrorismus antworten.

Die Furche: Zu den Wertvorstellungen des "Westens" gehört wesentlich die Trennung von Religion und Staat und der Glaube an die Segnungen der Säkularisierung…

Steinbach: In der islamischen Welt wird die Säkularisierung weithin gleichgesetzt mit einer antireligiösen, antiislamischen Attitüde. Das hängt auch damit zusammen, dass es im Arabischen kein eigenes Wort für "Säkularisierung" gibt und man es leider häufig mit "ohne Religion" übersetzt. Und das schafft Blockaden gegenüber der westlichen Welt. De facto sind aber weite Teile der islamischen Welt säkularisiert, man denke an Indonesien, Malaysien, Bangladesh, Türkei. Mein Eindruck ist, dass selbst der Iran an einen Punkt kommen wird, wo man feststellt, dass die islamische Republik eine Quadratur des Kreises ist und man die Religion wieder aus der Gesellschaft zurückdrängen muss.

Die Furche: Kommen wir nach Österreich, wo sich eine heftige Debatte darüber entzündet hat, ob Moscheen mit Minaretten für die christliche Mehrheitsgesellschaft zuträglich seien. Der Bischof von Feldkirch, Elmar Fischer, sieht darin eine "Provokation". Wie bewerten Sie die Debatte?

Steinbach: Der Auslöser ist ein subkutanes Angstgefühl auf der Seite der nichtmuslimischen Mehrheit: Irgendwie kommt aus diesem Islam etwas Bedrohliches! Und dann gibt es selbst ernannte Islam-Kenner, die das Minarett als "Speerspitze" sehen - und diese Speerspitze sticht dann in dieses subkutane Angstgefühl hinein. Ich selbst glaube, dass es wichtig ist, dass Moscheen Minarette haben. Zugleich bin ich dafür, dass man die Minarette nicht unsäglich hoch baut, sondern nur so hoch, dass sie in den gesellschaftlichen Kontext passen. Etwas ähnliches gilt für den Gebetsruf: Auch damit muss man sorgfältig umgehen, damit auf der einen Seite das symbolhaft Islamische nicht verloren geht, aber auf der anderen Seite auch der Tatsache Respekt gezollt wird, dass hier andere Traditionen gelten. Wir müssen einfach Kompromisse finden.

Die Furche: Was halten Sie davon, den Bau von Moscheen samt Minaretten erst zuzulassen, wenn islamische Länder den Bau von Kirchen erlauben?

Steinbach: Natürlich gibt es in vielen islamisch geprägten Gesellschaften ganz unübersehbare Unzulänglichkeiten, was Bürgerrechte und freie Religionsausübung betrifft. Aber wir können nicht das Entwicklungstempo Saudiarabiens, Irans oder eines anderen konservativ-islamischen Landes zur Grundlage unseres Umgangs mit einer religiösen Minderheit machen - sei es Österreich, Deutschland, Frankreich oder wo auch immer.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

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