Schwer faßbar: Kardinal Schönborn, der uns jahrelang als Zusammenführer, Versöhner, Friedenstifter erschien, trug jetzt selbst einen neuen Konflikt in die krisengeschüttelte katholische Kirche von Österreich. Daß die stillose Entlassung von Generalvikar Helmut Schüller ein neues Erdbeben auslösen würde, mußte klar sein: Als beherzter Präsident der Caritas hatte Schüller ein riesiges Vertrauenskapital - nicht nur für sich, sondern für die ganze Kirche! - erworben, als Generalvikar den Ruf als effizienter, wenn auch durchaus nicht unumstrittener Manager gefestigt.
Deshalb schien es zunächst undenkbar, daß der Kardinal von sich aus gehandelt haben könnte. Ein Kniefall vor illegalem Druck aus dem Vatikan aber wäre ganz schlimm gewesen. Ein Bischof braucht sich laut Kirchenrecht von niemandem vorschreiben lassen, wen er wozu ernennt.
Der Erzbischof von Wien bestreitet, auf Druck gehandelt zu haben. Also muß man ihm - kopfschüttelnd immer noch - glauben und annehmen, es gehe doch um einen Richtungsstreit. Dann ist das Resümee aber nicht weniger besorgniserregend. "Mehr Spiritualität" allein gibt wenig Sinn: die hätte der Kardinal ja selbst forcieren können, ohne den Diözesanmanager zu feuern.
Die Botschaft lautet dann ja wohl (und das ergibt auch im Zusammenhang mit Schönborns Rede in Frankfurt Sinn): Vergeßt Dialog und Kirchenreform, vergeßt überhaupt alles, was ihr bisher als Katholische Aktion, als katholische Verbände oder als Kirchenvolks-Begehrer getan habt: Jetzt wird vor allem meditiert, gebetet, gesungen und gefeiert! Als kleine Herde in einer "Oase" der bösen säkularisierten Welt. Das defaitistische Wort "Oasenpastoral" ist ja schon gefallen.
Müssen jetzt alle, die sich bisher als Geweihte oder Laien im Dienst der Kirche abgemüht haben, als tragisch "Verirrte" umlernen? Oder dürfen sie doch weiter an der Lehre Jesu festhalten, der die Jünger die Verklärung auf dem Berg Tabor sehen ließ und sie dann postwendend in die Niederungen des Alltags zurücksandte, die einem Erzbischof, scheint es, zu mühsam sind?
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