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ANTONIO OLIVEIRA SALAZAR RESPEKT OHNE LIEBE

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Salazar, Herr über neun Millionen Portugiesen, ist es nicht an der Wiege gesungen worden, daß er einmal die Geschicke seines Landes leiten und Portugals Geschichte auf das nachhaltigste beeinflussen werde. Als Kleinbauernsohn am 28. April 1889 in Vimeiro bei Coimbra geboren, wurde er zum Kaufmannsberuf

ausersehen, kam aber wegen seiner schwächlichen Konstitution sieben Jahre ins Priesterseminar. Zwar empfing er die niederen Weihen, doch glaubte er sich nicht zum geistlichen Amt berufen und begann Volkswirtschaft zu studieren. Bereits 1914 wird er Auxi- liarprofessor in Coimbra und vier Jahre später ordentlicher Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaften. Als er zum Finanzminister mit unbeschränkter Vollmacht ernannt wird, sagt er zum Ministerpräsidenten: „Mir brauchen Sie nicht zu danken, daß ich dieses Amt angenommen habe; für mich bedeutet es ein so großes Opfer, daß ich es aus Gefälligkeit niemandem bringen würde. Ich bringe es lediglich aus Gewissenspflicht.“ Diese Worte sind keine leeren Phrasen. Denn Salazar hat nie nach der Macht gestrebt. Wurde sie ihm aber anvertraut, wollte er sie ganz und ohne Einschränkungen. Diese gewiß nicht demokratische Haltung war auf sein persönliches Erlebnis mit der portugiesischen Republik zurückzuführen, die nichts weiter als das Zerrbild einer De

mokratie war. In den 15 Jahren der Republikzeit gab es 20 blutige Aufstände, 42 Regierungen, acht Staatspräsidentenwechsel und, in den letzten fünf Jahren ihres Bestehens, 38 politische Morde. Das schuf in Salazar die Überzeugung, der er bis zu seinem Lebensende treu blieb, daß für sein Land nur ein autoritäres Regime möglich ist.

Zwei weitere persönliche Gegebenheiten sollten sein politisches Wirken bestimmen; seine äußerst harte Jugend und seine berufliche Leidenschaft für Zahlungsbilanzen. Salazar war unwahrscheinlich anspruchslos, so daß selbst seine erbittertesten Gegner niemals seine Rechtschaffenheit anzweifeln konnten. Allerdings verlangte er von den Portugiesen — besonders nach Ausbruch des Kolonialkriegs — ein ähnlich asketisches Leben, eine Forderung, die nicht von allen klaglos hingenommen wurde. Zweitens hat er aus dem Kontokorrentbuch die zehn Staatsgebote gemacht, denen sich alles zu fügen hatte. „Ich genieße das seltene Privileg des allgemeinen Re-

pekts“, sagte er einmal mit voller Überzeugung.

Respekt war es denn auch, was ihm das Volk für seine Leistungen entgegenbrachte, nicht aber Liebe. Der Aufschwung, der sich unter Salazar nicht nur im Mutterland, sondern auch in Angola und Mozambique bemerkbar machte, ist nicht zu übersehen: Er festigte die Währung, ließ Straßen, Brücken, Stauwerke bauen und verhalf der Industrie zur Expansion. Trotzdem — und nicht nur wegen des ungeheure Opfer fordernden Krieges in Angola, Mozambique und Guinea — gehört Portugal noch immer zu den ärmsten Ländern Europas.

Der Mann, der es verstanden hatte, Portugal aus wirtschaftlichem Ruin und politischer Anarchie zu retten und das letzte große Kolonialreich unseres Jahrhunderts — mit der Ausnahme — Goas — zusammenzuhalten, war nicht in der Lage gewesen, die Zuneigung seines Volkes zu behalten. Nur die Macht und nicht der Dank des Vaterlandes bleiben ihm bis an sein Lebensende gewiß.

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