Große Angst vor dem Kleinen

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Die Nanotechnologie hat einen schweren Stand. Spektakuläre Durchbrüche bleiben aus, es häufen sich Indizien für eine Gesundheitsgefährdung von Nanopartikeln. Beweise fehlen.

Nanotechnologie steckt in der Imagekrise. Vor wenigen Jahren als Schlüsseltechnologie des neuen Jahrtausends gepriesen, mehren sich kritische Stimmen. Was tun die Nanoforscher eigentlich genau? Wo sind die versprochenen Nanoroboter, die den Körper durchschwimmen und selbstständig Krankheiten heilen sollen? Und vor allem: schädigen die winzigen Nanopartikel, die in zahlreichen Produkten vom Tennisschläger bis zur Sonnencreme enthalten sind, die Gesundheit? In Deutschland hat ein im Oktober veröffentlichtes Hintergrundpapier des Umweltbundesamtes zum Stand der Risikoforschung in Sachen Nano die schwelende Debatte neu entfacht.

Wer die scheinbar klare Frage stellt, ob Nanotechnologie gefährlich sei, erhält zwar eine klare, aber dennoch unbefriedigende Antwort. Sie lautet: So ganz genau weiß man es noch nicht. Völlig aus der Luft gegriffen sind Sorgen jedenfalls nicht. Regelmäßig erscheinen Fachpublikationen, die Hinweise auf gesundheitsgefährdende, sogar zellschädigende Effekte von Nanopartikeln geben. So sorgte vergangenes Jahr eine Studie der Universität von Edinburgh für Aufsehen. Die Wissenschaftler injizierten so genannte „Carbon Nanotubes“ – winzige Röhrchen aus Kohlenstoff – in die Bauchhöhle von Mäusen. Das Resultat: Röhrchen mit einer bestimmten Länge lösen Entzündungen im Brustfell der Tiere aus. Vergleichbare Symptome zeigen die bekanntlich recht ungesunden Asbestfasern, die Carbonröhrchen in Form und Größe sehr ähnlich sind.

Gebundene Röhrchen sind ungefährlich

Vergangenen Monat veröffentlichten mehrere amerikanische Forscher um James Bonner von der North Carolina State University eine Studie in der Zeitschrift Nature Nanotechnology. Darin wiesen sie nach, dass Nanotubes durch bloßes Einatmen in das die Lunge umgebende Gewebe von Mäusen eindringen können. Kohlenstoffröhrchen sind bereits in einigen Produkten enthalten. Etwa in antistatischen Verpackungsfolien in der Halbleiterindustrie. In einer Tennisschläger-Serie der Firma Völkl sind sie im Kunststoff eingebaut und erhöhen die Festigkeit des Rahmenmaterials. Im fertigen Produkt sind die Röhrchen fest gebunden und für Konsumenten dadurch ungefährlich. Zu höchster Vorsicht raten Experten aber all jenen, die in Forschung oder Produktion mit den Partikeln hantieren. „Wir arbeiten nach bester Laborpraxis“, betont Reinhard Kriegbaum, Forschungsleiter der Klosterneuburger Firma Electrovac. „Für den Umgang mit Feinstäuben bestehen höchste Sicherheitsvorkehrungen.“ Das Unternehmen produziert selbst Nanotubes und mengt sie Kunststoffen bei. Dadurch lässt sich die thermische und elektrische Leitfähigkeit des Materials verändern.

Nanoforschung geht den Risiken nach

Positiv muss vermerkt werden, dass die Nano-Risikoforschung durchaus aktiv ist. „Man versucht, Fehler der Gentechnik oder der Handymasten nicht zu wiederholen“, erklärt Ulrich Fiedeler. Der Physiker ist Mitglied der vierköpfigen Gruppe NanoTrust am Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Aufgabe des Teams ist es, Informationen über mögliche Gesundheits- und Umweltrisiken der Nanotechnologie zu sammeln. Fiedeler räumt aber auch ein, dass die begleitende Risikoforschung an einem grundsätzlichen Dilemma leidet. Es ist nämlich nicht so leicht, die Unbedenklichkeit eines Stoffes zu beweisen. So groß ist die Anzahl verschiedener Nanomaterialien, so vielfältig relevante Faktoren wie Dosis oder Expositionsdauer, dass generelle Aussagen kaum möglich sind. Ein Beispiel: in Sonnecremes werden häufig Nanopartikel aus Titanoxid beigemengt. Man weiß zwar, dass diese durch verletzte Hautschichten ins Körperinnere dringen können. Aber wo beginnt eine Verletzung – bereits beim kleinen Kratzer oder erst der offenen Wunde? „Man müsste jeden Typus von Nanopartikel einzeln betrachten und harmonisierte Testmethoden entwickeln“, so Fiedeler. Viele Studien betrachten nur Kurzzeiteffekte. Uneinigkeit besteht auch darüber, ob sich Testergebnisse an Mäusen oder Zellkulturen auf den Menschen übertragen lassen. Zudem ist die Nanotechnologie ein heterogenes Feld mit vielen völlig unterschiedlichen Methoden und Anwendungen. Generelle Aussagen über „die Nanotechnologie“ sind deshalb fragwürdig.

Ganz unverständlich ist es angesichts dieser vagen Befunde nicht, dass manche Konsumenten verunsichert sind. Eine Kennzeichnungspflicht für „Nanoprodukte“ gibt es bisher nicht. Zumindest für Kosmetika wird sie ab 2012 EU-weit eingeführt. Sinnvoll wäre das wohl auch für Lebensmittel und Textilien. Grund zur übertriebenen Sorge sieht Ulrich Fiedeler derzeit dennoch nicht. „Da ist die Feinstaubbelastung deutlich problematischer.“ Einig sind sich jedoch fast alle Experten darin, dass weitere Forschung zu möglichen Risiken der Nanotechnologie ein absolutes Muss ist. Auch der demnächst in Kraft tretende Nano-Aktionsplan der Bundesregierung wird möglichen Gefahren und ihrer Vermeidung großzügig Raum bieten. Wer das nicht so gut findet? Vermutlich die Mäuse.

www.safenano.org /Uploads/EMERGNANO_CB0409_Full.pdf

200 Seiten starker Report des britischen Institute of Occupational Medicine (IOM)

www.nanoproducts.de

Datenbank enthält Produkte, wo „Nano drin“ ist.

epub.oeaw.ac.at/ita/nanotrust-dossiers/dossier009.pdf

Dossier des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) über Produkte mit Nanomaterialien

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