Klestil - wer sonst?

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Das amtierende Staatsoberhaupt war bei dieser Wahl absolut ungefährdet. Doch beim nächsten Mal dürfte für Spannung gesorgt sein.

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Das amtierende Staatsoberhaupt war bei dieser Wahl absolut ungefährdet. Doch beim nächsten Mal dürfte für Spannung gesorgt sein.

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Thomas Klestil - wer sonst? Der Amtsinhaber war im Rennen um die Bundespräsidentschaft, wie wohl alle erwarteten, vermutlich im Herzen auch seine bis zum Wahltag noch Zweckoptimismus versprühenden Gegenkandidaten, nicht zu schlagen. Auch kein anderer Kandidat, ob Helmut Zilk oder Franz Vranitzky, hätte ihn zu irgendeinem Zeitpunkt gefährden können, versicherte Fritz Plasser, Leiter des Zentrums für angewandte Politikforschung in Wien, der Furche.

Also waren alle "großen Kaliber" gut beraten, die nicht gegen Klestil in den Ring stiegen. Daß Zilk Klestils Kontrahenten kurz vor der Wahl noch als "Unglückswürmer" abqualifizierte, hat vielleicht mit seiner Erleichterung darüber zu tun, daß er selbst sich eine Kandidatur versagt und damit eine Niederlage erspart hat. Als Demokrat muß man aber Gertraud Knoll, Heide Schmidt, Richard Lugner und Karl W. Nowak, die doch kandidierten, dankbar sein, daß sie überhaupt eine Wahl ermöglichten. Außer Lugner wirkten auch alle mit ihrem Ergebnis durchaus zufrieden. Meinungsforscher Rudolf Bretschneider ortete am Wahlabend "nur Sieger".

Trotz des klaren Ergebnisses ist eine demoskopische Analyse der Wahl, wie sie Plassers Institut schon am Montag präsentierte, durchaus sinnvoll und aufschlußreich. Der Amtsbonus und die Auffassung vom Amt sprachen offenbar deutlich für Klestil. Eine klare Mehrheit der Österreicher (74 Prozent), hält es für wichtig, "daß der Bundespräsident internationale Erfahrung und Kompetenz hat", nur eine Minderheit (21 Prozent) - aber die Mehrheit der Knoll- und vor allem der Lugner-Wähler - hält es für wichtiger, daß er "moralisch ein Vorbild ist".

Signifikant ist der Trend, die Wahlentscheidung immer länger hinauszuschieben. 1986 hoben sich nur 15, 1992 schon 19 und 1998 bereits 23 Prozent ihre endgültige Entscheidung bis zum Wahltag auf, wobei diesmal vor allem Richard Lugner in letzter Minute noch aufholen konnte. Die gesunkene Wahlbeteiligung (von 80,9 auf 73,9 Prozent) und die dennoch gestiegene absolute Zahl ungültiger Stimmen (von 149.758 auf 181.423) sind Signale dafür, daß Amt und/oder Kandidaten vielen wenig bedeuteten. Klestils Wahltriumph darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß nicht einmal 50 Prozent der Wahlberechtigten für ihn gestimmt haben (für seine Konkurrenten freilich noch deutlich weniger).

Die Wahlanalyse zeigte, daß die Kandidaten bei einzelnen Wählergruppen deutlich über ihrem sonstigen Stimmenanteil lagen: Thomas Klestil punktete vor allem bei Pensionisten, bei Menschen mit niedriger Bildung, bei Selbständigen, Gewerbetreibenden und Bauern; Gertraud Knoll sprach besonders die 30- bis 45jährigen sowie Maturanten, Akademiker und Beamte an; Heide Schmidt überzeugte in hohem Maß (berufstätige) Frauen, Wähler unter 30, Maturanten, Akademiker und Angestellte; und Richard Lugner holte besonders unter Arbeitern viele Stimmen.

Daß Klestil bei den Katholiken, Knoll bei den Evangelischen und Schmidt bei den Konfessionslosen überdurchschnittlich gut abschnitten, kommt kaum überraschend. Interessant ist das Untersuchungsergebnis, daß die Leserschaft der "Kronen-Zeitung" übermäßig zu Klestil tendierte (76 Prozent, aber nur 4 Prozent zu Schmidt), bei den Falk-Blätter-Lesern Lugner (25 Prozent) sehr gut lag, während sich in die "Qualitätsblätter" (Presse, Standard, Profil) überdurchschnittlich viele Knoll- und Schmidt-Leser (23 beziehungsweise 22 Prozent) vertiefen.

Auf dem Land dominierte Amtsinhaber Thomas Klestil eindeutig, mit der Größe der Städte stiegen auch die Anteile der Gegner, insbesondere der von Heide Schmidt. Eine auch nicht mehr neue, aber bestätigte Erkenntnis wird weit über diesen Wahltag hinaus zu beachten sein: In den Großstädten, vor allem in Wien, ist die politische Landschaft offener denn je geworden, Stammwähler der Parteien verteilten sich auf ganz verschiedene Kandidaten. Vor allem junge Wähler lassen sich immer weniger traditionellen Parteien zuordnen oder von einem Amtsbonus beeindrucken. Diese Tendenz verspricht für künftige Wahlgänge weit mehr Spannung als für diese Präsidentenwahl.

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