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Sexualität und Musik

Wiener Festwochen

Intendant Luc Bondy selbst hat für die Wiener Festwochen Benjamin Brittens "The Turn of the Screw" inszeniert und dafür zusammen mit der gesamten Mannschaft im Ronacher verdienten Jubel entgegengenommen. Bondy lässt die zahlreichen Interpretationsmöglichkeiten offen, welche die seltsame Geschichte zweier Kinder bietet, die in einem einsamen Landhaus unter den Augen der entsetzten Gouvernante von zwei Geistern verführt werden: Geht es um erwachende Sexualität, um die Bewusstwerdung von Homosexualität, um Pädophilie gar oder um die katastrophalen Folgen von krankhaftem Puritanismus - schon die literarische Vorlage von Henry James beschäftigte Generationen von Interpreten. Gesanglich brillieren unter anderen Mireille Delunsch als möglicherweise hysterisch halluzinierende Erzieherin, Marlin Miller und Marie McLaughlin als liederliche Gespenster sowie Hanna Schaer als Haushälterin. Das Mahler Chamber Orchestra unter Daniel Harding sorgt dafür, dass sich die Schraube musikalisch gehörig unter die Haut dreht.

Michael Kraßnitzer

Skandal und Mythos

Kunsthalle Wien

Die documenta 2002 (8. Juni-15. September) wirft in der Wiener Kunstszene bereits ihre Schatten voraus: Die Wiener Kunsthalle zeigt parallel zur diesjährigen documenta 11 in Kassel eine medial inszenierte Ausstellung, welche die documenta 5 von 1972 ins Zentrum des Interesses rückt. Anhand von erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemachtem Archivmaterial wird der Ausstellungsbetrieb selbst thematisiert. In dem statt des Kunsthallenprovisoriums am Karlsplatz errichteten "project space" der Wiener Kunsthalle kann das Phänomen documenta 5 eingehend studiert werden. Unter anderem steht der Schweizer Ausstellungsmacher Harald Szeemann im Mittelpunkt der Ausstellung, der als alleinig verantwortlicher Generalsekretär die documenta 5 von 1972 entscheidend mitgeprägt hat. Neben der Ausstellung gibt ein reichhaltiges Begleitprogramm, Möglichkeit zur Information und Konfrontation. Bis 24. Juli kommen Zeitzeugen, Künstler und Kunsttheoretiker zu Wort, die sich individuell, aus der künstlerischen Praxis und kunsttheoretisch zur legendären documenta 5 äußern werden. Eingeladen sind Künstler wie Arnulf Rainer und Gottfried Bechtold, aber auch - als abschließender Höhepunkt - der Kurator der documenta 5, Harald Szeemann. Wolfgang Ölz

Ironie und Intelligenz

Palais Esplanade, meran

"Ich zeichne, um mich selbst zu unterhalten. Ich will nicht das Abendland retten. Ich habe keine Botschaften und keine Lehre zu verkünden" - so beginnt Paul Flora seine "Geständnisse eines alten Zeichners" im Katalog der Ausstellung, die ihm derzeit in Meran zum kommenden 80. Geburtstag gewidmet ist. Diese Unterhaltung ist immer intelligent und ironisch, denn Flora hat einen genauen Blick für die großen Ansprüche und die kleinen Fehler; meisterhaft spielt er mit der grotesken Spannung zwischen Sujet und Titel. Dass sich Flora nicht auf den Karikaturisten reduziert sehen will, machen vor allem die melancholischen Landschaftszeichnungen glauben. Die Meraner Retrospektive ist eine Bilanz aus 64 Jahren hintergründiger zeichnerischer Weltbeobachtung. CH

Bis 23. 6.

täglich 10-12.30 und 14.30-18.30,

an Sonn- und Feiertagen 10-18

Ehesarg,kurz geöffnet

Wiener Festwochen

Mit ihren Kindern sind Richard und Corinne aufs Land gezogen, doch von Idylle ist keine Spur. Richard hat eine bewusstlose junge Frau ins Haus gebracht. Er habe sie im Straßengraben gefunden, erzählt er. Corinne findet in ihrer Tasche Spritzen. Richard ist Arzt, nahm oder nimmt, erfährt man in Andeutungen, Drogen. Die junge Frau - ihr Name ist Rebecca - ist oder war, wie sich bald enthüllt, keine Fremde, sondern seine Geliebte.

Die bekannte Dreieckskonstellation mit einer Geliebten, die natürlich jünger ist als die Ehefrau, ist die banale Seite von Martin Crimps Stück "Auf dem Land". Was es trotzdem interessant macht, ist, dass unter der Oberflächlichkeit der Dialoge, die sich weitgehend in Gesprächen über Alltägliches erschöpfen, noch etwas anderes zu lagern scheint. Gewissermaßen eine zweite Spielebene, die zu entdecken es allerdings einen Regisseur wie Luc Bondy braucht. Seine hervorragende Zürcher Inszenierung war nun auch bei den Wiener Festwochen zu sehen.

Da wäre zunächst Wilfried Minks Bühnenraum zu nennen - riesig und dunkel ist er wie die Ehe der beiden, ein Bunker und ein Gefängnis zugleich. Was August Zirner und Susanne Lothar als Ehepaar zeigen, ist so wunderbar wie - man muss es sagen - klischeehaft treffend. Sie spielt alle Facetten einer gedemütigten, auf Rache sinnenden Frau aus, und er verkörpert einen verrückten Typen, der nur vordergründig harmlos wirkt.

Einen Bruch gibt es doch: Anna Bögers Rebecca. Bleich und ungeschlacht, die beiden um Kopflänge überragend, bringt sie die leblose Ordnung durcheinander. Danach schließt sich der Ehesarg wieder. Am Ende sitzen Corinne und Richard nebeneinander: Sie trägt blondes Haar und goldene Schuhe wie zuvor Rebecca. Küssen kann er sie trotzdem noch immer nicht.

Annemarie Klinger

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