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Picassos noble Geste

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In diesem Frühjahr, ab Ende April, und während der Wiener Festwochen 1968 wird Wien die größte bisher in dieser Stadt gezeigte Picasso-Ausstellung sehen. 70 bis 80 Gemälde und etwa 200 Graphiken sollen im Museum für angewandte Kunst gezeigt werden. Vielleicht werden auch jene zwei Bilder darunter sein, die vor kurzem im Kulturteil mehrerer in- und ausländischer Zeitungen Schlagzeilen gemacht haben.

Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges befanden sich „Die zwei Brüder” und „Sitzender Harlekin” im Baseler Kunstmuseum. Aber es waren nur Leihgaben von Peter Stächelin, der, wie wir auf der Referatseite der „Furche” vom 6. Jänner berichtet haben, in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist und sich zum Verkauf einiger der wertvollsten Bilder gezwungen sah. Denn ihm gehörten nicht nur die beiden Picassos, sondern auch Gemälde von Manet und Monet, Corot und Renoir, Cėzanne, Gauguin, van Gogh, Vlaminck, Utrillo und anderen.

Aber gerade die beiden Picasso- Bilder wollte das Kunstmuseum behalten und entschloß sich zum Ankauf. Da hierfür sechs Millionen Schweizer Franken aufgebracht werden mußten (den Rest hoffte man durch private Spenden hereinzubekommen) und da man diese Summe nicht ohne die Zustimmung der Baseler Bürgerschaft ausgeben wollte, wurde eine Volksabstimmung veranstaltet, ein sogenanntes Referendum. Und siehe da: Entgegen den Prognosen der Antimodernisten stimmten mehr als 3,2 Millionen Bürger für den Erwerb und 2,7 Millionen dagegen. Damit war der Ankauf beschlossen.

Uber dieses Ergebnis und die demokratische Art der Behandlung des „Problems” war Picasso so gerührt, daß er der Stadt Basel vier seiner Bilder zum Geschenk machte, und zwar zwei von 1907 und zwei aus neuester Zeit.

Hierdurch wurde der lokale Ehrgeiz erneut angestachelt, und eine bekannte Mäzenatin, Frau Maja Sacher, die Frau des auch in Wien wohlbekannten und geschätzten Dirigenten Dr. Paul Sacher, der in Prakeln bei Basel ein schönes Haus auf dem Schöneberg bewohnt, hat aus ihrem Privatbesitz ein weiteres Picasso-Gemälde gespendet. So ist das Baseler Kunstmuseum für eine Summe, die von den einen als „mäßig”, von anderen als „angemessen” bezeichnet wird, zu weiteren fünf Picassos gekommen.

Damit auch in dieser schönen Geschichte der Wermutstropfen nicht fehle, sei nachgetragen, daß verbissene Antimodernisten angekündigt haben, sie werden die teuren Bilder verstümmeln. Worauf sie unter Glas gebracht werden mußten. Doch scheint man bisher von einem Attentat auf die Picassos Abstand genommen zu haben.

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