Speisen unterm Meister

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Zum 200. Todestag des Kremser Schmidt zeigt das Stift Seitenstetten Werke des Meisters.

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Zum 200. Todestag des Kremser Schmidt zeigt das Stift Seitenstetten Werke des Meisters.

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Die Benediktinermönche in Seitenstetten sind privilegiert: sie speisen in ihrem Sommerrefektorium unter Originalwerken des Martin Johann Schmidt, genannt "Kremser Schmidt." 200 Jahre nach seinem Tod öffnen sie nun ihre Pforten. In der Jubiläumssausstellung "Meister des Hell und Dunkel" ist der umwerfende Bilderzyklus im Speisesaal der Öffentlichkeit zugänglich.

Ölbilder, Fresken und Raumvertäfelung wachsen hier zu einem einmaligen Ensemble zusammen, der Kremser Schmidt hat biblische Szenen rund um Tafelfreuden und Klostergeschichte so komponiert, dass sie vom Sitzen aus am besten zur Geltung kommen. Längs- und Querformate wechseln einander rhythmisch ab, vier Ölbilder an der Fensterwand thematisieren "Speise und Trank in alttestamentarischen Begebenheiten". "Hagar in der Wüste", als lichtvoll darbende Gestalt vor brauner, karger Landschaft mit aufgehelltem Horizont. Ein schemenhafter Engel steht ihr bei. Der "Meister des Hell und Dunkel" beweist sein dramatisch sinngebendes Talent: in "Abraham bewirtet drei Freunde" wird der himmlische Jüngling zum strahlenden Blickfänger. Bei "Esau bringt seinem blinden Vater Isaak das Wildbret" sind es der Hund und die Bettstatt des Alten, die leuchten. "Daniel in der Löwengrube" schließt die alttestamentarischen Themen ab, er wird vom Mahl Gottes gespeist, das Engel ihm bringen.

Das Heilige, Gute und Schöne taucht der Kremser Schmidt in verklärtes Licht, das Neue Testament dominiert neben charismatischen Persönlichkeiten des Ordens die übrigen Wände. "Christus und die Jünger im Ährenfeld" lässt in der Lichtführung keinen Zweifel am Auserwählten. "Die Heilige Familie bei Tisch" taucht das Gesicht des jungen Jesus in helle Erleuchtung. Bezug zu Speis und Trank fand der "Kremser Schmidt" sogar in "Christus am Kreuz". Er stellte dar, wie dem Dürstenden Essig gereicht wird. Der helle Körper des Gekreuzigten trägt das Heilige schon in sich, der Mensch Jesus ist Gott. Dieser erscheint als Auferstandener den Aposteln bei verschlossener Tür, und weil er wahrhaft lebt, isst er von den dargereichten Fischen.

Das Werk des Kremser Schmidt ist von tiefem Glauben durchdrungen, der Wunsch, das Wesentliche darzustellen, lässt ihn zu immer größerer Abstraktion vordringen. Leihgaben aus fünf Benediktinerstiften, den Pfarren Spital/Phyrn, Waidhofen/Ybbs, dem Chorherrenstift St. Florian und Museen ergänzen die Seitenstettner Bestände. Sie dokumentieren den Weg des Malers zu immer intensiverem Ausdruck, sein Wissen um die Bedeutung von Farbe, Symbol und religiösem Inhalt.

Der 1718 geborene Martin Johann Schmidt war nicht nur ein begnadeter Meister barocker sakraler Ölmalerei, er war auch ein präziser Radierer und wandte sich Themen der antiken Mythologie zu. Seine Bilder von Äbten und Heiligen beweisen fundiertes Können in der Porträtmalerei. Vermutlich lernte der Kremser Schmidt an der Wiener Akademie, Paul Troger und Rembrandt zählten zu seinen Vorbildern. Neben einigen Deckengemälden sind über 1.000 Altar-und Andachtsbilder in Kirchen und Klöstern von ihm erhalten. Seine Zeitgenossen beschrieben ihn als "immer tätigen Mann", sein kontinuierliches Streben nach Ausdruck erreichte im Spätwerk einen absoluten Höhepunkt. Zeitlos modern mutet das letzte Bild an, dessen Quittung an den 83-jährigen am 23. Dezember 1800 in Seitenstetten ausgefüllt wurde: dieser "sterbende Heiland am Kreuz" löst sich beinahe auf in schmerzhafter Einsamkeit vor dem schemenhaft roten Umriss der heiligen Stadt Jerusalem.

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