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Mittelalterliche Miniaturen

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PARABELN CHRISTI. Zwölf farbige Bilder aus frühmittelalterlichen Handschriften, erläutert von Thomas Michels. Friedrich-Wittig-Verlag, Hamburg. 16 Seiten Text und 48 Seiten in Kunstdruck. Preis 41.50 S.

Als 12. Bändchen in der von Pater Dr. Frowin Oslender OSB., Abtei Maria-Laach, herausgegebenen Kunstbuchreihe „Farbige Buchmalerei aus dem frühen Mittelalter“ erscheinen bildliche Darstellungen der Parabeln Christi, die Universitätsprofessor Pater Thomas Michels, selber ein Benediktiner wie einst die Malermönche, erläutert. In seiner Einleitung zitiert er die Stellen aus dem Markusevangelium 4, 10, in denen Christus seinen Jüngern die Parabel vom Sämann erklärt: Euch ist es gegeben, das Mysterium des Reiches Gottes zu kennen. Denen aber, die draußen sind, geschieht alles in Parabeln. Thomas Michels schreibt dazu: „Jesus macht also deutlich, daß es zwei Möglichkeiten gibt, das Mysterium des Reiches Gottes kennenzulernen: eine unmittelbare durch die von oben geschenkte Einsicht, eine mittelbare durch die Parabeln. Es gibt also nach ihm keine wesentliche Trennung zwischen Eingeweihten und Nichteingeweihten ... wohl aber in der Art, es, das Reich Gottes, zu erkennen.“ Er fragt dann, was eine Parabel im neutastamentlichen Sinn ist. „Die Antwort lautet: verhüllte Enthüllung des Mysteriums vom Reiche Gottes. Die Parabel soll so viel sagen, wie notwendig ist, nach einem Ausdruck des heiligen Ambrosius, um einzuweihen und nicht zu entweihen.“

Die bildstarke, gleichnishafte Sprache der Parabeln berührt sich innig mit der Sprache der Kunst, ja, man könnte sagen: in Seinen Parabeln bedient sich Christus der Sprache der Kunst, um denen, die nicht im Zustand der Gnade sind und also die Mysterien des Himmelreiches nicht unmittelbar, das heißt außerhalb des sinnlich Erfahrbaren, erfassen können, diese doch ahnbar, ja erfahrbar zu machen im Gleichnis. Durch die Parabel wird die Kunst zu einem Medium der Verkündigung, in der Parabel verwandelt sich die Verkündigung in eine dem Menschen faßlichere Form.

Wie die Kunst gestaltet die Parabel den Vordergrund des Sichtbaren als Bereich, in dem gleichnishaft und, richtig verstanden, auch wesentlich ein anderer, jenseits des Sichtbaren gelegener, anwesend ist: anwesend ist als Strahlkraft, die aus dem Hintergrund durchscheint in den Vordergrund und ihn erhellt und durchwärmt.

Es ist das Geheimnis der Kunst, daß dieser Bildgrund, je dichter er gestaltet ist, desto transparenter wird. Je mehr ein Ding als es selbst in seinem Wesen erkennbar wird, desto stärker verweist es — im Sinne der Analogia Entis des heiligen Augustinus — auf ein anderes, desto mehr wird es zum Gleichnis. Die höchste Verdichtung erreicht es, wenn es über das Gleichnishafte hinaus SymbolchaTakter gewinnt.

Keine Partie des Neuen Testaments — nur die Offenbarung des Johannes mit ihrer apokalyptischen Bilderfülle ausgenommen — kommt der bildhaften Darstellung stärker entgegen als gerade die Parabeln Christi. Alles, was sich von der Botschaft Christi überhaupt in der Sprache der Kunst ausdrücken läßt, läßt sich an der Darstellung seiner Parabeln sagen, denn die Parabel ist exemplifizierte Wahrheit, ist Wahrheit, die sich am Einzelfall erweist

Für den, der diesen Zusammenhang von Gleichnissprache und Kunst eingesehen hat, mag es verwunderlich erscheinen, daß die Parabeln Christi nicht häufiger als Thema der ottonischen Buchmalerei erscheinen. Verwunderlich freilich nur auf den ersten Blick; wer sich tiefer in die von Mönchen hingebungsvoll illuminierten Handschriften versenkt, der wird bald erkennen, daß sie sich immer der Sprache des Gleichnisses bedienten, welche Stelle der Schrift es auch darzustellen galt. Da finden wir die vier Evangelisten ersetzt durch ihre Attribute, Stier oder Löwe, Adler oder Engel, das himmlische Jerusalem repräsentiert durch Zinnen und Türme, die wiederkehrenden Symbolformen des Kreuzes und des Dreiecks auch in der Gestaltung des Details. Diese Kunst, die Andeutung und Hinweis sein will, kann nie ganz auf die Verwendung des Gleichnisses und des Symbols verzichten.

Einen breiteren und in der Tiefe der Interpretation bedeutenderen Raum als in irgendeiner anderen Schreibschule des abendländischen Mittelalters nehmen die Parabeln Christi in den Bilderhandschriften .der Abtei Echternach ein. Die fünf Parabeln, die die Malermönche in Echternach bevorzugten, bilden den Hauptteil der vorliegenden Bildauswahl: die Arbeiter im Weinberge, die bösen Winzer, die den Erben töten, das große Abendmahl, der Barmherzige Samariter (Wer ist mein Nächster?) und der reiche Prasser und der arme Lazarus. Im einzelnen stammen dia Bilder aus dem Perikopenbuch Kaiser Heinrichs III. (Echternach 1039 bis 1043), dem Krönungs-evangeliar von Speyer (Echternach 1043 bis 1046) und dem Codex Aureus Epternacensis, einem Sakramental entstanden in Echternach um 1030.

Ergänzend dazu hat Thomas Michels den syrischen Codex Rossanensis (um 550 zu datieren) herangezogen, der auf purpurnem Grunde eine Darstellung der klugen und der törichten Jungfrauen enthält, sowie den Hitda Codex (Köln um 1020), der das Paradigma der Ehebrecherin („Terra terram accusat“) zeigt, und ein Evangeliar Kaiser Ottos II. aus der Reichenau (um 980), in dem das Sinnbild der beiden Schwestern Maria und Martha gestaltet ist. Doch damit ist die selbstgesetzte Grenze, nur Bilder der Parabeln Christi wiederzugeben, schon überschritten — außerhalb Echternachs lassen sich nur wenige Beispiele reiner Parabelillustrationen im Räume der römischen Kirche nachweisen (wogegen wir aus dem byzantinischen Osten viele Darstellungen aus diesem Themenkreis kennen).

Thomas Michels hat zu den einzelnen Bildern einen schlichten Text geschrieben, der behutsam auf Feinheiten der Gestaltung aufmerksam macht und hinführt zu einem vollen Verständnis auch des Details; in dieses sind oft Bezüge auf andere Stellen der Heiligen Schrift verwoben, die dem Betrachter nicht sofort deutlich werden. Die Bildwiedergabe ist farblich ausgezeichnet geglückt; besonders dankbar ist man für die vergrößerte Wiedergabe einiger Bildausschnitte.

ROMANISCHE MALEREI. Wand- und Tafelmalereien Kataloniens aus romanischer Zeit. Ausgewählt und erläutert von Lothar Schreyer. Adamas-Verlag, Bonn. 64 Seiten, 15 Farbtafeln.

Ein — sowohl im Satz des Textes wie in der Farbwiedergabe der Bilder — sauber gedruckter Band, der einführt in die romanische Kunst Kataloniens, vor allem in die berühmte Hauptapsis von San demente de Tahull und die Apsis in Santa Maria de Tahull. Als der österreichische Maler Herbert • Boeckl vor einigen Jahren den Auftrag erhielt, Wandbilder nach der Apokalypse für die Abtei Seckau zu schaffen, reiste er zuerst nach Katalonien, um die Wandmalereien aus dem 12. Jahrhundert zu studieren. Dies mag die Gegenwärtigkeit dieser Bilder und ihren fortwirkenden Einfluß auf heute lebende Maler illustrieren — und etwas vom Erlebnis des Betrachters andeuten, wenn er sich nun diesen exakten Reproduktionen gegenübersieht. Neben den Bildern aus den genannten beiden Kirchen sind es die Ante-pendien der Altäre von Aviä bzw. Mosoll, die in ihrer leuchtenden Farbkraft im Gedächtnis bleiben.

DER SANKT-ANNEN-ALTAR DES WOLF HUBER.

20 farbige Tafeln. Mit einem Geleitwort herausgegeben von Erwin H e i n z 1 e. Insel-Bücherei Nr. 700. Insel-Verlag, Wiesbaden. Preis 3.50 DM.

Wolf Huber, geboren zwischen 1480 und 1490 in Bregenz, gestorben am 3. Juni 1553 in Passau „als ehrbarer und kunstreicher Mann, als Bürger und Hofmaler“, ist neben Albrecht Altdorfer der bedeutendste Meister der „Donauschule“. Den Sankt-Annen-Altar für seine Heimatstadt hat er 1521 vollendet; er begründet seinen Rang als Maler in der Kunstgeschichte. Bis zu seinem 400. Todestag, 1953, stand vor allem der Rang Wolf Hubers als Zeichner fest. Nach der Wiederauffindung der acht Flügelbilder des Altars, die bis dahin als verschollen galten, rückte nun sein malerisches Oeuvre stärker in den Vordergrund. Die Flügelbilder, die die Joachimslegende und die Kindheit Jesu darstellen, befinden sich jetzt im Kunsthistorischen Museum in Wien, indes das Hauptbild des Sankt-Annen-Altars heute auf dem rechten Seitenaltar der Feldkircher Stadtpfarrkirche St. Nikolaus steht. Erwin Heinzle, der Wiederentdecker der Bilder, hat zu den einwandfrei reproduzierten Tafeln, die hier zum ersten Male vollständig und farbig veröffentlicht werden, eine vortreffliche Einführung in das Werk Hubers geschrieben.

DAS WELTGERICHT. Von Reinhold Schneider. Reihe: der Bilderkreis. Herausgegeben von Heinrich Lützeler. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau. 16 Seiten Text, 37 zum Teil farbige Tafeln.

„Mit Kunstgeschichte hat dieses bescheidene Büchlein nicht das geringste zu tun“, schreibt Reinhold Schneider im einbegleitenden Text, „es will nichts als Vermittlung der Begegnung mit der Offenbarung, die Realität ist und Geschichte durchleuchtet. Wenn Geschichte überhaupt verstanden werden kann, so nur vom Söller des Engels, der die Posaune bläst.“ Und: „Noch einmal: unser Herz müßte sich umkehren, wenn wir schauen könnten, was die Künstler — bis in die heutige Zeit — geschaut haben; wenn das Wort uns träfe, wie es sie getroffen hat.“ Der schmale Band enthält 37 Tafeln, davon sieben in Farben. Die ältesten abgebildeten Kunstwerke stammen aus Ravenna (um 450) und von der Kathedrale Saint-Lazare (Autun, nach 1100), die jüngsten von Ernst Barlach und Albert Schilling. Sie demonstrieren das im Wandel der Zeiten Gleichbleibende religiöser Kunstwerke: ihr Vermögen, ordnend in die Zeit zu wirken zur Verdeutlichung des Wortes.

DER SILBERNE KALENDER auf das Jahr 1960. Waldemar-Klein-Verlag, Baden-Baden. Zwölf Farbtafeln.

Der Silberne Kalender des bekannten Kunstverlages enthält diesmal zwölf farbige Wiedergaben nach persischen Miniaturen des 15. und angehenden 16. Jahrhunderts, die in Postkartengröße reproduziert werden. Die Blätter stammen aus der Aegyp-tischen Bibliothek in Kairo, aus dem Kairoer Museum für Islamische Kunst und aus der Sammlung Cherif Sabry, Kairo. Am häufigsten sind Darstellungen des Meisters Behzad vertreten (1488 bis 1489), deren Themen .“.Gelehrte Gespräche in der Moschee* oder ein „Bankett bei Sultan Husein Mirza“ sind, sowie der Tabriz-Schule. Den ganzen exotischen Reiz dieser prachtvoll farbigen Miniaturen fängt der Titel eines Blattes von Timraz (1496) ein: „Ein Dämon hat ein schlummerndes Liebespaar vor den Herrscher gebracht.“

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