Man ist oft versucht, sich über markante Formulierungen zu freuen, darüber vielleicht auch zustimmend zu lachen, mit etwas Bewunderung über die Kunst des Formulierens, und dann zur Tagesordnung überzugehen. Dabei enthalten gerade solche Wendungen mehr Zündstoff und einen dringenderen Handlungsimperativ als unmittelbar wahrgenommen, ja vielleicht auch mehr als dem einen oder der anderen lieb ist.
Testfall dazu: Der Besuch des Bischofs von Rom in Österreich - und daraus nur drei Beispiele: * "Tretet nicht aus, sondern auf!" Die Ambivalenz der Rede ist gar nicht zu verkennen. Was war damit gemeint, was könnte das auch bedeuten? Ein Imperativ zum aufrechten Gang in der Kirche, eine Ermutigung gegen vorauseilenden Gehorsam, vielleicht auch gegen Zentralismus und gegen den Verzicht auf eigenes Denken. Dieses Wort könnte den Dialog für Österreich tatsächlich zum Gespräch machen.
* "Lebt in Taten vor, was ihr mit Worten lehrt." Eine treffliche Zusammenfassung des Evangeliums Jesu Christi: Wort und Tat müssen übereinstimmen, zumindest das Bemühen dafür muß ehrlich erkennbar sein. Christliche Verkündigung nicht mit vielen Worten, sondern im Handeln der einzelnen ist gefragt, der Inflation des Wortes auch in der Kirche wird damit eine klare Absage erteilt. Und doch, wenn wir ehrlich sind: Jedes Mal, wenn wir in der Bibel lesen, müßten wir ob der Diskrepanz erröten, die zwischen der Botschaft Jesu und dem besteht, was wir als Kirche (vor)leben.
* "Keine Teilzeitkatholiken, sondern Vollblutchristen." Auch das ein wahres Wort nicht ohne Folgen. Aus der Wochenend- und Sonntagskirche muß eine Alltagskirche werden, oder besser umgekehrt: Unsere christliche Identität ist kein Feiertagsmäntelchen, sondern Grundzug und Profil unseres Wesens.
In der Tat: Gute Sprüche - nicht nur zur Freude an der Kunst des Wortes, sondern eher zum Einprägen und als persönliche Leitlinie. Deshalb weise ich Sie darauf hin, auch wenn der Bischof von Rom längst wieder in seinem Bistum ist.
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