Wahlaufruf an Österreichs Muslime

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Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich ruft ihre Mitglieder zur Wahl der neuen Gremien auf. Dem Wahlprozedere ging ein langes Ringen um eine Verfassung voraus. Der Ausgang ist offen, doch so viel steht fest: Präsident Anas Schakfeh kandidiert nicht mehr.

Die Tage von Anas Shakfeh an der Spitze der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) sind gezählt. Der langjährige Präsident und Vorsitzende des Obersten Rates der IGGiÖ will nach der kommenden Wahl für sein Amt nicht mehr zur Verfügung stehen. Dass es überhaupt zu Wahlen kommt, darauf haben viele lange gewartet.

Erst in der 2009 in Kraft getretenen neuen Verfassung der IGGiÖ ist die Bestellung der Gremien durch eine Wahl, an der alle Mitglieder der IGGiÖ teilnehmen können, vorgesehen. Mittlerweile hat man sich auch auf ein Wahlprozedere festgelegt.

Frauen ausdrücklich erwünscht

Die Wahl, die in ganz Österreich durchgeführt wird, erstreckt sich über mehrere Termine. Am 21. November 2010 sind die Musliminnen und Muslime in Klagenfurt aufgerufen, an die Urnen zu schreiten. Den Abschluss bildet Wien, wo erst für den April 2011 der Wahltermin festgesetzt wurde.

Wahlberechtigt sind alle Musliminnen und Muslime, die Mitglieder einer islamischen Religionsgemeinde sind – also einer Moschee oder einem Fachverband – und seit über einem Jahr in dem Sprengel ihrer Gemeinde hauptgemeldet sind. Um das Wahlrecht zu erwerben, ist auch eine Registrierung beziehungsweise eine Mitgliedschaft bei der IGGiÖ nötig, die für Jugendliche 20 Euro im Jahr kostet, für Erwachsene 40 Euro. Kandidieren darf, wer wahlberechtigt und mindestens 16 Jahre alt ist. Vor allem die Kandidatur von Frauen sei ausdrücklich erwünscht, so die Vertreter der IGGiÖ!

Gewählt wird über mehrere Stufen. Zuerst wird in der lokalen Religionsgemeinde des jeweiligen Bundeslandes die Gemeindeversammlung gewählt. Dazu stellen je 50 Mitglieder eines Vereins einen Delegierten, der von ihnen gewählt wird. Auch sogenannte „Unabhängige“, also Personen, die in keinem muslimischen Verein aktiv sind, wählen ihre Delegierten. Die neu gewählte Gemeindeversammlung wählt dann einen Ausschuss, der die Arbeit für die Religionsgemeinde im jeweiligen Bundesland aufnimmt.

Vier Personen aus diesem Ausschuss werden zusammen mit einer dem Größenverhältnis des Bundeslandes entsprechenden weiteren Zahl von Delegierten in den Schurarat entsandt, der dann wiederum den Obersten Rat wählt, der aus 15 Personen besteht. Der oder die Vorsitzende des Obersten Rates ist dann automatisch Präsident oder Präsidentin (!) der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich.

Die Wahl wird durch ein eigens gewähltes siebenköpfiges Komitee überwacht, dessen Vorsitzender Omar Al-Rawi ist, Integrationsbeauftragter der IGGiÖ und Wiener Landtagsabgeordneter der SPÖ. Das Al-Rawi in der IGGiÖ und der SPÖ aktiv ist, sei kein Problem, sagt Präsident Schakfeh. Al-Rawi habe kein geistliches Amt inne, dafür als Gewerkschafter aber viel Erfahrung bei der Durchführung von Wahlen.

Wer übrigens Schakfeh nachfolgen wird, ist noch unklar. So viel steht jedenfalls fest: Mit ihm verliert die IGGiÖ einen geschätzten und angesehenen Präsidenten.

Anas Schakfeh, gebürtiger Syrier, besuchte in Damaskus ein theologisches Seminar, ehe er 1965 nach Österreich kam. Er studierte vorerst Medizin und Arabistik und stieg später auf die Dolmetsch-Ausbildung um. Von 1977 bis 1984 war er in diesem Bereich tätig. 1984 wechselte er als Religionslehrer an eine Wiener AHS, im September 1998 wurde er Fachinspektor für den islamischen Religionsunterricht. 1997 wurde Schakfeh geschäftsführender Präsident der Glaubensgemeinschaft, deren Führung er nach dem Tod seines Vorgängers Ahmad Abdelrahimsai 1999 auch offiziell übernahm.

Öffentlich gelobt wurde Schakfeh zuletzt im März dieses Jahres, als ihm das Goldene Ehrenzeichen um Verdienste für die Stadt Wien überreicht wurde.

Letzter Wahlgang: April 2011

Wer neuer Präsident oder neue Präsidentin wird, wie viele letztlich zur Wahl gehen und ob die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich nun zur Vertretung aller Muslime im Land wird, zeigt sich erst nach dem letzten Wahlgang in Wien im April 2011. Bis dahin darf man gespannt sein, in welche Richtung sich die Islamische Glaubensgemeinschaft in den kommenden Monaten und Jahren entwickeln wird.

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