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Makarios und die Kommunisten

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In Cypern, dem Inselkleinstaat vor der nordöstlichen Levanteküste, begann jetzt ein neuer Geschichtsabschnitt. Die Cyprter entschieden sich, nach 400jährigem Kampf gegen türkische und britische Fremdherrschaft und für den Anschluß an Griechenland, freiwillig zugunsten der ihnen vor knapp acht Jahren auf gezwungenen Unabhängigkeit!

Auf den ersten Blick erscheinen die 95,5 Prozent Wählerstimmen, die für Präsident Makarios abgegeben wurden, wie ein überzeugendes Plebiszit. Der Nervenarzt Takts Efdokas, einziger Gegenkandidat, erhielt nur 3,7 Prozent. Doch eine Woche nach der Wahl zeigt die systematisch Analyse, daß die Herrschaft Makarios’ künftig durch zwei schwere Hypotheken belastet wird: Erstens sind die fast 94prozeintige Wahlbeteiligung und die fast 96pro- zentige Stimmabgabe für den bisherigen Präsidenten nur eindrucksvolle Zahlenspiele. Die Insel zählt 603.000 Einwohner, wahlberechtigt waren aber nur 247.500. Einschließlich der 17,5 Prozent Türken beteiligten sich also weit über die Hälfte, darunter allerdings die noch nicht wahlberechtigten Minderjährigen, nicht an dem Plebiszit! (Interessant ist, daß mehr Frauen als Männer für Makarios und fast nur Männer für Efdokas stimmten.) — Zweitens verdankte Makarios seinen überwältigenden Sieg nicht der ihn unterstützenden Sammlungsbewegung „Patriotische Front”, sondern der „Wiederaufbaupartei des Arbeitenden Volkes”. AKEL, wie sie nach ihren griechischen Initialen genannt wird, ist die Kommunistische Partei.

Gegner der Enosis

Die 1941 gegründete Gruppe ist nicht nur eine der ältesten, sondern die einzige bedeutende politische Massenorganisation Cyperns, Sie war schon immer gegen die Enosis und für die Unabhängigkeit Ein zu Griechenland gehöriges Cypern wäre, fürchtete sie, eine dauerhafte westliche Militärbasis; ein unabhängiges Cypern würde, konnte sie hoffen, wahrscheinlich ein neutralistischer Staat Ohne ihr Endziel aufzugeben, bediente sich die Partei einer geschickten Taktik. Unter der britischen Besatzung propagierte auch sie öffentlich die Enosis, weil jede andere Politik unpopulär gewesen wäre. Insgeheim schürte sie jedoch die griechisch-türkischen Meinungsverschiedenheiten. Letztere erzwangen später die Unabhängigkeit.

Natürlich gibt es bis heute keine direkte Beziehung zwischen AKEL und Präsident Makarios. Die Partei setzte jedoch schon früh auf den Ethmardhen. Sie unterstützte ihn-in beiden Präsidentschaftwahlen, weil sie keine eigene halbwegs populäre Führerpersönlichkeit besitzt und weil sie hoffte, der eitle und machthungrige Makarios werde sich früher oder später gegen die Enosis und für die Unabhängigkeit entscheiden. Jetzt ist sie am Ziel.

Gegenkandidat Efdokas, der eindeutig für die Enosis stritt und die Zustimmung des Freiheitshelden Grivas hatte, wurde vernichtend geschlagen. Das zeigt, wie weit die Geistesverwirrung auf der Insel geht. Makarios hielt zwar keine einzige Wahlrede, und seine spärlichen Äußerungen bewiesen, daß er keine Vereinigung mit Griechenland mehr wünscht. Trotzdem gab ihm die grie chische Insedfoevölkerumg, obwohl sie nach wiie vor für die Enosis ist, einen überwältigenden Vertrauensbeweis.

Noch freut sich Makarios der neugewonnenen Machtfülle. Doch schon fordert die AKEL unüberhörbar die ihr zustehende Beteiligung an der Regierung und Parlamentswahlen. Der Präsident wird sich diesen Forderungen nicht lange entziehen könchisehe Inselbevölkerung, obwohl nach wie vor für die Enosis einen überwältigenden Vertrauensbeweis.

Demaskierung

In Cypern verschwanden letzte Woche, gleichzeitig mit den Wahlparolen, die typischen lokalen Karnevalsmasken. Vorüber ist der Fasching von Nikosia, nur die Kommunisten tragen noch ihre Larve. Makarios’ Gegner warten gespannt darauf, wann sie sie abnehmen und ihrem Günstling ihr wahres Gesicht zeigen. Jedenfalls könnte es gut sein, daß die cyprische Demokratie — wie der unterlegene Präsidentschaftskandidat feststellte — am Wahlsonntag gestorben ist. Kenner der Verhältnisse trösten sich damit, daß sogar ein Makarios aim kommunistischen Gängelband besser sei als ein ungezügelter Makarios.

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