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Scharfe Kritik an naiver Haltung der Regierung und der Medien

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Das gegenseitige Abschlachten der Hutus und Tutsis in Ruanda läßt Europa kalt. Medien berichten sogar von Wiederherstellung der Ruhe, wenn Tutsi-Rebellen eine Region gesäubert haben.

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Das gegenseitige Abschlachten der Hutus und Tutsis in Ruanda läßt Europa kalt. Medien berichten sogar von Wiederherstellung der Ruhe, wenn Tutsi-Rebellen eine Region gesäubert haben.

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Die Gemeinschaft Ruandesi-scher Studenten in Österreich hat einen von der Presse hierzulande weitgehend unbeachteten geharnischten Appell an den ugandischen Staatspräsidenten Yoweri Mu-seveni veröffentlicht, die Hilfe an die RPF (Rwandan Patriotic Front) Tutsi-Rebellen sofort einzustellen, bevor die Tragödie in Ruanda apokalyptische Dimensionen annimmt.

Während Österreich Museveni bei dessen jüngstem Staatsbesuch von 25. bis 28. Mai offiziell hofierte, spielte sich - wie die Furche jetzt aus glaubwürdiger Quelle erfuhr -im Hintergrund ein Tauziehen zwischen Regierung und ruandesischen Studenten um eine Demonstration gegen Musevenis Mitverantwortung an den kriegerischen Auseinandersetzungen im Nachbarland ab. Ein Student aus Ruanda, der begreiflicherweise nicht genannt werden will, zur furche: „Österreich ist wirtschaftlich und humanitär stark engagiert in Uganda. Deswegen hat man uns geraten, andere Mittel als eine Demonstration gegen Museveni anzuwenden. Die gute Kooperation zwischen Österreich und Uganda sollte nicht gestört werden”

Erfreut weggegangen sind die ruandesischen Studenten hingegen vom Generalsekretär im Außenministerium, Botschafter Wolfgang Schallenberg, der ihnen nach einer ausführlichen Anhörung zugesagt hatte, in internen Gesprächen mit Präsident Museveni deren Anklagen zu erörtern.

Die ruandesischen Studenten in Österreich, die im Verein AERA zusammengeschlossen sind, wollten und wollen die österreichische Öffentlichkeit über die Zusammenhänge des blutigen Geschehens in ihrem Heimatland unterrichten. Louis Hiryamara'' zur furche: „Wirklich interessiert sich hier niemand für unser Land. Das wird auch in den Medien deutlich. Unser Protest gegen Präsident Museveni wurde kaum notiert, eine Zeitung hat ihn vor Musevenis Besuch in Österreich gebracht. Wir haben den ORF angerufen. Zick-Zack in Ö-3 wollte eine Sendung über Ruanda gestalten. Das wurde aber kurzfristig geändert; es hat aber niemand der Mühe wert gefunden, uns davon zu verständigen.”

Die Hintergründe, die Entwicklungen und wirren geschichtlichen Wege zu den grausamen Bluttaten gehen den Ruandesen in der Darstellung östereichischer Medien ab. Desgleichen deutliche Hinweise, wie beispielsweise das Nachbarland Uganda seit Jahren die Tutsi-Rebellen der RPF unterstützt und fördert.

Die „Rwandan Patriotic Front” hat sich aus der Inyenzi-Bewegung herausentwickelt, die sich aus Anhängern des 1959 nach der Revolution ins Exil gegangenen Königs von Ruanda zusammensetzte. Die Inyen-zi versuchten schon zu Beginn der sechziger Jahre von Uganda und dem Schwesterland Burundi aus die noch junge Republik mit Gewalt zu stürzen. Vor der Weltöffentlichkeit stellten sich die Tutsi im Ausland als Flüchtlinge dar, denen das republikanische Ruanda verwehre, nach Hause zu kommen.

Partner der Rebellen

Nur nebenbei gesagt: als im August des Vorjahres im tansanischen Arus-ha ein Friedensabkommen zwischen der Hutu-Regierung Ruandas und den Tutsi-Rebellen der RPF unterzeichnet wurde, bei dem es nicht nur um die künftige Machtaufteilung, sondern auch um die Rückkehr von etwa 100.000 Flüchtlingen ging, hatte die RPF es schwer, ihre im Ausland gut situierten Anhänger zur Rückkehr in das ärmliche Ruanda zu bewegen.

Was den in der AERA zusammengeschlossenen ruandesischen Studenten in Österreich besonders wichtig erscheint, ist die Notwendigkeit, Uganda davon zu überzeugen, der RPF keine militärische Hilfe mehr zukommen zu lassen. In einer von Jean-Pierre Sebatware, dem AERA-Obmann, einem Bauingenieur-Studenten in Wien unterzeichneten

Stellungnahme vom 23. Mai heißt es, daß die ugandischen Streitkräfte, die National Resistance Army (NRA), in der die meisten Tutsi-Rebellen gedient haben und noch dienen, ein „zuverlässiger Partner” für diese sei. Unter denen, die mit den Rebellen zusammenarbeiten, soll sich auch der ugandische Ex-Verteidigungsminister, Generalmajor Fred Rwigema, jetzt Generalstabschef-Stellvertreter der NRA, befinden. Und Präsident Museveni selbst - ein Hima ruandischer Herkunft aus Süd-Uganda, der Region Ankole, die während der Kolonialisierung von Ruanda abgetrennt wurde - wird eine Nahverwandtschaft zu den Tutsi-Rebellen nachgesagt. Der hinsichtlich des Verhältnisses Uganda-Ruanda eher Museveni wohlwollend gesinnte „Österreichische Informationsdienst für Entwicklungspolitik” (ÖIE) betont in seiner Zeitschrift „Südwind” (5/1994) nur, daß die Soldaten der RPF „zuvor einen wichtigen Teil der Armee des Präsidenten von Uganda” stellten. Und im ÖIE-Extradienst (12/1994) heißt es - noch vor Musevenis Besuch in Österreich - nur lapidar, daß die Unterredungen hier, neben Wirtschaftsund Entwicklungsfragen „auch die politische Lage in Ostafrika, speziell in Zusammenhang mit den Ereignissen in Ruanda” zum Thema hätten.

Die Ruandesen hier in Österreich gehen davon aus, daß der gegenwärtige Krieg mit all seinen Scheußlichkeiten unvorstellbaren Ausmaßes, dem ostafrikanischen Land von den Tutsi-Rebellen aufgezwungen wurde. Dabei muß aber klar sein, daß die reine Scheidung in hier die Hutus mit weißer Weste, da die Tutsi-Mörder nicht zielführend ist. Denn in der RPF sind auch Hutus vertreten, die seinerzeit höchste Staatsämter inne hatten und nun in Opposition zur Hutu-Regierung stehen. Andererseits haben Armeeangehörige Ruandas und die vielzitierte Garde des beim Flugzeugabschuß mit seinem burundischen Amtskollegen ums Leben gekommenen Präsidenten Habyarimana die Situation weidlichst ausgenützt, um unliebsame Personen samt Familie auszurotten.

Die ruandesischen Studenten in Österreich verurteilen scharf die Massaker in ihrer Heimat, welche Seite auch immer sie begeht. Die Kriegsparteien werden aufgefordert, sich sofort um eine friedliche Lösung zu bemühen. „Ruanda ist leider schon das afrikanische Bosnien geworden.” An die internationale Gemeinschaft wird appelliert, nicht weiter zuzusehen, weil dies „eine Schande für die gesamte Menschheit” sei.

Scharf wendet sich der eingangs erwähnte furche-Gesprächspartner Louis Hiryamara auch gegen die Medienberichterstattung über Ruanda in Österreich: „Da wird gerne von disziplinierten Tutsi-Rebellen berichtet, die Ordnung schaffen. Das ist mehr als nur einseitig. Das ist naiv und setzt zudem auf eine militärische Lösung, die es nicht geben kann und darf. Momentan wollen die Tutsi-Rebellen gar nicht verhandeln, weil sie sich ihrem militärischen Ziel sehr nahe fühlen. Journalisten, die die befreiten Gebiete besuchen und dann von der angeblich dort herrschenden Ruhe berichten, übersehen, daß aus den Zentren des Landes die Bevölkerung vertrieben wurde - also niemand mehr da ist, über den man regieren kann.”

*) Name von der Redaktion geändert

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