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Eine anteilnehmende Biografie über eine Frau, deren Willen gebrochen worden war: Johanna, "die Wahnsinnige".

Königin und Gefangene" nennt der preisgekrönte spanische Historiker der Universität Salamanca, Manuel Fernández Álvarez, seine Biografie einer der tragischsten Gestalten der spanischen Geschichte. Er erzählt - nahe an den überlieferten Dokumenten bleibend - die Geschichte jener Frau, die in Spanien "Juana la Loca" genannt wird. Johanna, Tochter der Katholischen Majestäten Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon, erregt noch heute die Phantasie, einerseits durch ihr bezeugtes zügelloses Sexualverlangen nach ihrem Gatten (für ihn war sie "Johanna die Schreckliche"), andererseits durch das grausige Spektakel, das sie den Bewohnern der spanischen Hochebene nach dem frühen Tod ihres Gemahls bot: ein Jahr lang zog sie mit dem Sarg nächtens bei Fackelschein von einem kastilischen Dorf ins nächste, um dem angeblichen Wunsch des Verstorbenen nach einer Bestattung in Granada zu entsprechen. Aber erst dessen Sohn, der spätere Kaiser Karl V., begrub seinen Vater Philipp den Schönen 1516 und zwar an dem Ort, an dem Johanna, rechtmäßige Königin von Kastilien, gefangengehalten wurde: In Tordesillas im Nordwesten Spaniens.

Spannend zu lesen

Von der im Jahr 2000 in Spanien erschienenen Biografie wurden bereits über 100.000 Exemplare verkauft. Sie liest sich spannend, weil sie mehr ist als eine Krankengeschichte. Der Verfasser zeichnet ein großes historisches Panorama, in dem als Hauptakteur der Tod steht. Johanna, 1479 in Toledo geboren, als 16-Jährige in eine dynastisch opportune Ehe mit dem Sohn Kaiser Maximilians I. nach Flandern verschifft, bekam sechs Kinder. Nach dem Tod ihrer älteren Geschwister und ihrer Mutter wurde die junge Frau, nunmehr Königin von Kastilien, von ihren Kindern getrennt und zum Spielball der Machtinteressen zwischen Ehemann und Vater. Der plötzliche Tod Philipps noch während der Feierlichkeiten anlässlich der Thronbesteigung bewirkte in der labilen Johanna kein Ende der krankhaften Eifersucht. Sie sollte bis zu ihrem Tod Frauen hassen.

Weggesperrt

Ihrem Vater kam ihre offensichtliche Entscheidungsunfähigkeit zupass. Er ließ sie in der Kloster- und Palastanlage in Tordesillas wegsperren. Dort lebte sie mit ihrer jüngsten, nachgeborenen Tochter, die sie nun ihrerseits wie eine Gefangene hielt. Depressiv, durch Hungerstreiks gegen ihre Gefangenschaft rebellierend, äußerlich verwahrlost: so fand sie ihr 16-jähriger Sohn Karl vor, nachdem er seine Mutter zehn Jahre lang nicht gesehen hatte. Er kam nach Tordesillas, um von ihr nach dem Tod König Ferdinands zu fordern, ihn mit-, de facto allein regieren zu lassen.

In seinen Memoiren erwähnte Kaiser Karl, er habe seine Mutter von 1516 bis zu ihrem Tod 37 Jahre später dreimal besucht. Professor Álvarez kann nachweisen, dass Karl zwölfmal in Tordesillas war. Dennoch bleibt die Frage offen, was den Sohn dazu bewogen hat, einen erwiesenermaßen grausamen Adeligen zum Wächter über seine Mutter zu bestellen: "Welche Verantwortung trägt Karl V. bei alldem? Wie kann es sein, dass jemand, der in all seinen politischen Aktivitäten ein solches Verantwortungsgefühl an den Tag legte, seine Mutter solch zweifelhaften Machenschaften auslieferte? Noch heute kann ich mir diese Frage nicht beantworten."

Religiös indifferent

Die wenigen Besucher der Königin von Kastilien beschrieben sie als labil, aber luzid im Kopf: Ein Mensch, dessen Willen gebrochen worden war. Auf jeden Fall regierungsunfähig. Verdächtig machte sie sich, indem sie sich religiös indifferent zeigte. Was im Spanien der Inquisition gefährlich war. Sie galt als verhext, und nur ihr Enkel Philipp II. verhinderte eine geplante Teufelsaustreibung.

Die anteilnehmende Biographie liest sich wie ein Roman, weil sie keine großen Geschichtskenntnisse voraussetzt, sondern diese unaufdringlich vermittelt.

Johanna die Wahnsinnige 1479-1555. Königin und Gefangene

Von Manuel Fernández Álvarez.

C. H. Beck Verlag, München 2005

228 Seiten, geb., e 20,50

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