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Unendliches Gespräch

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HUGO VON HOFMANNSTHAL - HELENE VON NOSTITZ. Briefwechsel. S. Flscher- VerUg, 1965. 211 Seiten, Preis 133.20 S.

Unter dem Titel „Unendliches Gespräch” veröffentlichte vor einigen Jahren einer der prominentesten Hofmannsthal-Forscher, der Ordinarius für deutsche Literatur an der Universität Bonn, Richard Alewyn, eine Abhandlung über die Korrespondenzen Hofmannsthals mit Richard Strauss, Stefan George, Rudolf Borchard, Carl J. Burckhardt und Eberhard von Bodenhausen. Inzwischen ist der Briefwechsel mit Arthur Schnitzler publiziert worden, der an dieser Stelle ausführlich besprochen wurde, und nun legt Oswalt von Nostiz, der als Pėguy- Übersetzer und -Kommentator einen geachteten Namen hat, den Briefwechsel seiner Mutter mit Hugo von Hofmannsthal vor. Ein besonderer Glücksfall für die Forschung und für alle, denen der Mensch und Künstler Hofmannsthal etwas bedeutet. Denn gerade diese Briefe sind Fortsetzungen und Ergänzungen, oft auch Ersatz für Gespräche, die der Dichter mit dem Ehepaar Nostitz führte, und in einem überaus aufschlußreichen, auf genauen Kenntnissen basierenden und akribisch erarbeiteten Anmerkungsteil im Umfang von etwa

30 Seiten werden nicht nur jene „Pausen zwischen den Gesprächen” ausgefüllt, sondern auch viele Personen, kulturelle Ereignisse und andere Details erläutert, von denen die jüngere Lesergeneratiön kaum mehr etwas weiß.

Als Hofmannsthal Helene von Nostitz im Hause von Harry Graf Keßler in Weimar kennenlemte, war er

31 Jahre alt und seit fünf Jahren verheiratet. Helene von Nostitz, die mit ihrem Mädchennamen von Ben- neckendorff und von Hindenburg hieß, war die Enkelin des Fürsten Georg Münster und einer Prinzessin Galitzin. Fünf Jahre jünger als Hofmannsthal, war sie mit dem feinen, zurückhaltenden und hochgebildeten Alfred von Nostitz verheiratet, der im sächsischen Verwaltungsdienst tätig war: zuerst in Dresden und Weimar, später in Auerbach im Vogtland und in Dresden; 1916 bis 1918 war Alfred von Nostitz auch sächsischer Gesandter in Wien, wodurch die Möglichkeit häufiger persönlicher Begegnungen gegeben war.

Die etwa 130 Druckseiten umfassende Korrespondenz begann 1906 und endete kurz vor Hofmannsthals Tod im Jahr 1929 (Helene von Nostitz ist 1944 gestorben). Der Hintergrund dieser sehr persönlichen, sehr zwangslos geschriebenen Briefe und Gespräche ist die Bildungswelt des 19. Jahrhunderts, ihre Themen: persönliche Dinge und die neuen Kunst- bastrebungen in den ersten zwei Dezennien des Jahrhunderts, an denen auch Alfred von Nostitz als Freund Graf Keßlers, des Herausgebers des PAN, und Heymeis, des Begründers der INSEL, beteiligt waren. („Aus dem alten Europa” ist auch der Titel des Erinnerungsbuches von Helene von Nostitz, auf das als wichtige Ergänzung zu diesem Briefwechsel hingewiesen sei.)

Die ständige Teilnahme am Werk Hofmannsthals, Anregungen, die gegeben und empfangen wurden, vor allem aber gegenseitige Wertschätzung und Sympathie bildeten das feste Band einer Lebensfreundschaft, in die besonders in den späteren Jahren auch die beiden Gatten der Briefschreiber und die heran- wachsenden Kinder einbezogen waren. Es gibt da einen sehr wichtigen Brief Hofmannsthals vom 16. Juli 1924, im 50. Lebensjahr geschrieben, als ihn wohlgemeinte, aber oft auch recht beschwerliche Veranstaltungen seiner Freunde zwangen, zurückzuschauen auf sein Leben und eine vorläufige Bilanz zu ziehen. Nachdem Hofmannsthal in dem an Alfred von Nostitz gerichteten Brief (der ebensowenig wie alle übrigen im Hinblick auf eine spätere Veröffentlichung geschrieben wurde) vom Unterschiedlichen, ja Trennenden zwischen Österreichern und Deutschen gesprochen hat, schreibt er: „Mir aber ist um das 30. Lebensjahr das Gute zuteil geworden, daß mir einige Menschen begegnet sind, alle aus dem Deutschland nördlich des Main, an denen ich habe mit dem Gemüt erkennen können, was das ist, deutsches Wesen… Deinen Namen nenne ich hier in mir, wie den von Eberhard Bodenhausen und den von Schröder. Nicht gar sehr aus unserer Zeit schienet Ihr mir, die Ihr mir entgegentratet, zu sein — aber völlig aus unserem Volke —, aus dem Stoff, der die Zeit überdauert…”

Aus diesem „Stoff” war auch Helene von Nastitz gebildet. „Das ist eine Frau”, sagte von ihr Miß Gladys Deacon, eine junge Amerikanerin, die Hofmannlsthal wegen ihrer Klugheit und gesellschaftlichen Brillanz schätzte, „die in bewundernswerter Weise ihre Individualität wahrt, ohne den Mund aufzumachen”. Heute wissen wir auch, daß Helene von Nostitz nicht nur der Helene Altenwyl im „Schwierigen” wesentliche Züge geliehen hat, sondern daß sie auch die „Baronin” in der etwa 1906 niedergeschriebenen „Unterhaltung über den ,Tasso’ von Goethe” ist und daß sie das 3. Stück der „Augenblicke in Griechenland” angeregt hat.

So ist dieser Briefwechsel nicht nur das Dokument einer Lebens- . freundschaft — und als solcher eine , im höchsten Grade angenehme Lek- ; türe —, sondern er bietet auch dem ; Kulturhistoriker, speziell dem Hof- ! mannsthal-Forscher, neues wertvol- . les Material.

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