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George — Borchardt — Hofmannsthal

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Briefwechsel zwischen George und Hofmannsthal.

Zweite, ergänzte Auflage. Bei Helmut Küpper, vormals Georg Bondi. 272 Seiten. Preis 16.80 DM.

Diese Korrespondenz, welche sich im Nachlaß der beiden Dichter vollständig vorfand (ein Zeichen dafür, welche Bedeutung sie ihrer Beziehung beimaßen), wurde zum- erstenmal 1938 veröffentlicht. Man ge'-stattete damals diese Publikation zweifellos Stefan George zu Ehren, denn Hofmannsthal war „verpönt“ (wir erinnern uns anderseits daran, daß Joseph Goebbels von Thomas Mann in den für Deutschland bestimmten Sendungen des Britischen Rundfunks als „Gundolfs entarteter Schüler“ apostrophiert wurde . . .). Der Leser dieser sehr begrüßenswerten Neuauflage hat freilich auch heute noch einige Mühe, dieser dramatischen Auseinandersetzung sine ira et. studio zu folgen. Am bündigsten definiert Max Scheler den George-Kreis als eine „aus dem Geist der schärfsten Opposition zur Vermassung des Lebens herausgeborene erotisch-religiöse hocharistokratische gnostische Sekte“, deren Ziel es gewesen sei, „eine gnostische Metaphysik der Selbsterlösung aufzubauen“. Georges Ideologie ist vor allem durch ein antithetisch und polemisch entworfenes Bild der „Welt außerhalb“ sowie durch den Totalitätsanspruch des Kreises gekennzeichnet. Gegen diesen vor allem, und nicht gegen George als Dichter, wendet sich Hofmannsthal, und es macht die Tragik ihrer Beziehungen aus, daß George in dem großen österreichischen Dichter nicht den ebenbürtigen Partner anerkannte, sondern aus ihm einen Parteigänger und Jünger machen wollte, ein Mitglied des'Kreises. In der vorliegenden Neuauflage, die, wie seinerzeit schon die erste Edition, von Robert Boehringer betreut und kommentiert wurde, ist die Zahl der Briefe nur um wenige Stücke aus der Zeit der ersten Begegnung im Winter des Jahres 1891 in Wien vermehrt. Diese bestärken den Leser in seinen Vermutungen, die er bereits bei der Lektüre der ersten Auflage hatte und die sich nicht für publizistische Erörterungen eignen. Ergreifend und packend ist dieser Briefwechsel auch heute noch, da hier auf höchster Ebene und mit größtem Ernst persönliche und weltanschauliche Gegensätze zwischen ebenbürtigen, wenn auch grundverschiedenen Partnern ausgetragen werden.

Hugo von Hofmannsthal—Rudolf Borchardt. Briefwechsel. S. Fischer Verlag. 243 Seiten.

Die Beziehungen zwischen Hofmannsthal und dem um drei Jahre jüngeren aus Ostpreußen stammenden Rudolf Borchardt waren anderer Art. Wohl weht auch in diesen Blättern gelegentlich em scharfer Wind, aber dieser sänftigt sich, vor allem während der Zeit kurz vor und während des ersten Weltkrieges, und trotz der durch die Verschiedenheit ihres Naturells bedingten Spannungen festigt sich das Verhältnis zu einer auf gegenseitiger Achtung basierenden Freundschaft, die bis zu Hofmannsthals Tod dauerte. Denn in beiden war die Größe der europäischen Kultur lebendig, wie in wenigen ihrer Zeitgenossen, freilich auf sehr verschiedene Art. Borchardt, der sich als dankbarer Sohn der aus dem Geiste der Romantik wiedergeborenen deutschen Universität bekannte, arbeitete systematisch und praktisch an der kanonischen Herstellung einer deutschen geistigen Tradition. Hofmannsthal, ein Genie der Bewahrung und Assimilation, war der geistige Erbe des reichen Kulturbesitzes der alten Monarchie. Um das große Erbe aber geht es beiden: wie es lebendig zu erhalten, zu mehren und zu tradieren sei. Die Lektüre dieser Briefe ist erhebend und deprimierend zugleich. An dem geistigen Hochstand dieser Korrespondenz kann man unseren gegenwärtigen Kulturzustand wie an einem Pegel ablesen. Doch darf man sich allein von der Tatsache, daß dieser Briefwechsel existiert, daß er einen Verleger gefunden hat und in die

Hände einiger tausend Leser kommt, Gutes erhoffen. *

Zum Gedenken für Hugo von Hofmannsthal.

Sonderheft der „Neuen Rundschau“ (65. lahrgang, 1954. 3. und 4. Heft). S. Fischer Verlag, Frankfurt.

Der etwa 250 Seiten starke Band ist der gewichtige Beitrag des Verlages, bei dem vor 20 Jahren die erste sechsbändige Auswahl aus Hofmannsthals Werken erschien und der jetzt die von Herbert Steiner betreute Gesamtausgabe ediert. Als das Kernstück möchten wir die Aufzeichnungen „Ad me ipsum“ bezeichnen, jene für Professor Walther Brecht gemachten Aufzeichnungen, eine Art Selbstinterpretation des Dichters, die 1930 zum erstenmal im „Freien Deutschen Hochstift“ erschienen sind. Trotz ihres fragmentarischen Charakters und obwohl sie ihrerseits an vielen Stellen eines Kommentars bedürfen, sind diese Notizen von größtem Interesse. Das gleiche gilt von den Aufzeichnungen zu einem „Xenodoxus“-Drama, die erregende Einblicke in den schöpferischen Arbeitsprozeß gewähren, den Edgar Hederer zu verdeutlichen bemüht ist. Daran schließen sich zwei weitere Originalbeiträge aus Hofmannsthals Nachlaß: die Urfassung des 1. Aktes der Oper „Arabella oder Der Fiakerball“ sowie „Prima Ballerina — Ein Tag aus dem Leben einer Tänzerin“,vermutlich ein Ballettszenarium. Die wenigen mitgeteilten Briefe an Arthur Schnitzler und den Verleger S. Fischer erwecken den Wunsch nach einer Publikation der vollständigen Korrespondenzen mit' diesen beiden Persönlichkeiten. Carl J. Burckhardt hat weitere wertvolle Erinnerungen aufgezeichnet. Weniger substantiell, aber für die Kenntnis des jüngeren Hofmannsthal von wirklichem Interesse sind die persönlichen Erinnerungen von Olga Schnitzler. Unter dem Titel „Unendliches Gepräch“ referiert Richard Alewyn über die Korrespondenzen mit Richard Strauß, Stefan George, Bodenhausen und Borchardt. Rudolf Kassner schrieb einen gehaltvollen Beitrag über Hofmannsthals Gespräch, weitere Marginalien stammen von E. R. Curtius, Herbert Steiner, Reinhold Schneider, Rudolf Borchardt und Max Kommerell.

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