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Im Dienst des Dichters
Im Jahr 1968 wurde die Hugo-von-Hofmannsthal-Gesellschaft gegründet, die heute, mit ihren mehr als 700 Mitgliedern, die weitaus größte, einem deutschen Dichter des 20. Jahrhunderts gewidmete Vereinigung ist. Ihr Organ, die Hofmannsthal-Blätter, von denen bisher sieben Hefte im durchschnittlichen Umfang von 80 Seiten erschienen sind, soll dazu beitragen, Werk und Wirken des Dichters zu erforschen, vor allem aber durch Veröffentlichung von Material und neuen Funden die Voraussetzungen für eine große kritische Gesamtausgabe des CEuvres vorzubereiten.
Um die Situation zu beleuchten, in der sich die Hofmannsthal-Forschung befindet: Zwar gibt es eine Werkausgabe von insgesamt 15 Bänden und es gibt elf in Buchform veröffentlichte Briefwechsel, aber allein in dem „Familiennachlaß“, der sich in der Bibliothek der Universität von Harvard befindet, liegen 30.000 Blatt Manuskripte, und 8300 Briefe hat die „Stiftung Volkswagenwerk“ angekauft und dem „Freien Deutschen Hochstift“ zur Verfügung gestellt.
Daher finden wir in den Hofmannsthal-Blättern keine Essays und Feuilletons, sondern es werden nur Beiträge veröffentlicht, die für die große kritische Gesamtausgabe von Nutzen sein können, die auf über
30 Bände veranschlagt wurde, sowie Dokumente für eine vollständige Biographie, die derzeit noch nicht geschrieben werden kann.
Eine solche Dokumentation ist die Serie mit dem Titel „Hofmannsthal und Böhmen“, die sich durch die ersten vier Folgen der Hofmannsthal-Blätter zieht und vom Herausgeber, Univ.-Prof. Dr. Martin Stern, Basel, erarbeitet wurde. Da gibt es zahlreiche Briefwechsel mit tschechischen Autoren, Verhandlungen über einen Bildband, „Die Ehrenstätten Österreichs“, der 1914 geplant war, eine Untersuchung über die Rolle der Tschechen und Slowaken im Österreichbild Hofmannsthals, Erörterungen des Planes einer „tschechischen Bibliothek“, die Aufnahme der prosaischen Schriften Hofmannsthals, ihr Echo in Böhmen sowie Hinweise auf persönliche Beziehungen des Dichters zu Böhmen, speziell zu Prag, das er 1917 und auch in späteren Jahren besucht hat; natürlich auch eine Zusammenstellung aller Übertragungen der Werke Hofmannsthals ins Tschechische. Überdies hat jede Nummer einen ausführlichen bibliographischen
Teil, der über alle Veröffentlichungen zum Thema „Hofmannsthal“, besonders aber über die Aufführungen seiner Stücke Aufschluß gibt.
Besonders wichtig sind die in den Hofmannsthal-Blättern erstmalig mitgeteilten Korrespondenzen: mit
Carl Sternheim (über den Plan einer Moliere-Ausgabe), mit Grete Wie-senthal, mit Ephraim Frisch, dem Herausgeber des „Neuen Merkur“, dem Hofmannsthal klarzumachen versucht, daß er keine Feuilletons, wie in früheren Jahren, und auch
keine Rezensionen mehr schreiben könne. Hier findet sich, in einem Brief aus dem Sommer 1919, eine entscheidene Stellungnahme gegen den „Anschluß“, eine strikte Erklärung gegen ein „Großdeutschland“, wie es in einigen Köpfen herumspukte: „Ist nicht die ungeheure Zahl, sind nicht diese sechzig Millionen, oder gar siebzig oder gar achtzig, sind diese nicht schon ein furchtbares Problem, sobald wir aus dem Kreis der despotisch oder patriarchalisch fundierten Kultur (China) heraustreten? Denkt man nicht viel zuwenig an die furchtbare Rückwirkung, die es auf das Ethos des einzelnen übt, daß er einer so formidablen Masse angehört?“
Im gleichen Heft (V) findet sich eine schöne Abhandlung von Rudolf Pannwitz aus dem Jahr 1919 über „Die Frau ohne Schatten“, im nächsten Heft (VI) zwei von Rudolf
Hirsch mitgeteilte Tanzdichtungen für Grete Wiesenthal, eine Studie von Herta Staub über „Die Rodauner Szene“ sowie eine Dokumentation über das bisher wenig durchleuchtete Verhältnis zwischen Karl Kraus und Hofmannsthal. Die umfangreichste in diesen Blättern veröffentlichte Korrespondenz ist die zwischen Hofmannsthal und Anton Wildgans. Sie umfaßt im derzeit letzten Heft Nr. 7 nebst Kommentar und Anmerkungen von Robert Altenhofer fast 70 Druckseiten. Dank der großen Zahl der Mitglieder der Hofmannsthal-Gesellschaft und des weltweiten Interesses, das des Dichters Werk immer mehr findet, scheint das Weitererscheinen der Hofmannsthal-Blätter für die nächsten Jahre gesichert.
HOFMANNSTHAL-BLÄTTER. Veröffentlichungen der Hugo-von-Hofmannsthal-Gesellschaft. Heft 1 bis 7. Herausgegeben von Martin Stern, Schriftleitung Leonhard M. Fiedler. Lothar-Stiehm-Verlag. Heidelberg.
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