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Eine Chance ist wahrzunehmen

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In Rodaun bei Wien, neben dem ehemals bekannten Gasthaus Stelzer, Badgasse 5 (jetzt Ketzergasse 471), steht das zur Zeit Maria Theresias von einem Fürsten Trautsohn erbaute Schlößchen, in dem seit 1901 bis zu seinem Tod, also fast drei Jahrzehnte lang, der Dichter Hugo von Hofmannsthal lebte. Das Haus gehörte nicht ihm, er hatte vielmehr mit den Besitzern, die einer alten Offiziersfamilie entstammten, nur einen langfristigen Mietvertrag (bis 1937) abgeschlossen. Nach dem Tode Hofmannsthals und der Emigration der Familie stand das Haus eine Zeitlang leer, bald nach 1945 zog die Schriftstellerin Maria Grengg dort ein, die vor kurzem gestorben ist. Das Haus in seinem schlechten Bauzustand wurde, über Anregung des Bundesministeriums für Unterricht, 1955 in dankenswerter Weise durch das Bundesdenkmalamt gründlich restauriert. Gemeinsame Be- sitzex obrere Erbęm die, wfe man hort, geneigt wären, das Schloßt djen .für einen, angemessenen Betrag zu verkaufen.

Hier und jetzt, so scheint uns, bietet sich eine Chance, die nicht versäumt werden sollte. Wien (und Österreich) besitzt keine Hofmannsthal-Ge- denikstätte, nicht einmal ein Hofmannsthal-Archiv. Der umfangreiche Nachlaß, aus dem die von Dr. Herbert Steiner edierte fünfzehnbändige Gesamtausgabe geschöpft wurde, befindet sich in der Bibliothek der Harvard- Universität in Amerika. Er ist noch nicht zur Gänze ausgewertet und enthält Material für weitere zwei bis drei Bände. Einen Teil der Manuskripte haben die Erben Hofmannsthals der amerikanischen Bibliothek beschenkt, die andere Hälfte ist dort *ur deponiert und gehört den Kindern. Universität und Erben, so hört man, wären geneigt, der Überführung des Nachlasses in die Heimat des Dichters zuzustimmen, falls sich Staat oder

Stadt entschlössen, das ehemalige Haus Hofmannsthals als Gedenkstätte wiederherzustellen.

Außer dem dichterischen Nachlaß gibt es aber auch noch zahlreiche unveröffentlichte Korrespondenzen Hofmannsthals, Briefe und Gegenbriefe, wohl einige tausend. Ein großer Teil davon liegt im Germanistischen Seminar der Universität Bonn, ein anderer gleichfalls in Harvard. Diese Briefe sind im Besitz der Kinder des Dichters, und, wie man hört, fehlt es nicht an Angeboten. Das Schiller-Nationalarchiv in Marbach ist sehr rührig -im Erwerben literarischer Nachlässe und Korrespondenzen, und auch die Berliner Akademie der Wissenschaften verfügt über bedeutende Mittel…

Es geht aber nicht um den Hofmannsthal-Nachlaß allein. Es gab« noch einige andere wichtige literarisch« Hinterlassenschaften zu erwerben unc zu betreuen. So zum Beispiel ist det Nachlaß Ödön von Horvaths vor kurzem ins Ausland gegangen und füi Österreich verloren.

Natürlich sind alle diese Projekt« mit Schwierigkeiten und Unkosten verbunden. Aber was heute auf diesem Gebiet versäumt wird, ist nie mehi aufzuholen. Hätte man etwa di« Sammlung von Bildern zeitgenössische! Meister vor 50, ja noch vor 30 Jahrer begonnen: das „Museum des 20. Jahrhunderts“ sähe heute anders aus.

Exempla docent? Wir wollen es wünschen und hoffen.

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