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Hugo von Hofmannsthals Erbe

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Als Hofmannsthal im Sommer des Jahres 1929 in seinem Hause in Rodaun bei Wien die Augen schloß, ahnten nur die nächsten Freunde, welche Schätze sich — bedingt durch seine Arbeitsweise und die Strenge der Auswahl — in des Dichters Nachlaß finden würden. Zu Lebzeiten Hofmannsthals war (1924) eine sechsbändige Ausgabe erschienen, welche neben dem dramatischen Werk und den Meistergedichten vier Erzählungen, die „Gespräche und Briefe“ sowie einen schmalen Band mit „Reden und Aufsätzen“ umfaßte. Daneben gab es eine Reihe von Werken in Einzelausgaben (so zum Beispiel die Operntextbücher und den „Turm“); zahlreiche dichterische und schriftstellerische Arbeiten • waren in Zeitungen und Zeitschriften zerstreut. Eine erste Sammlung der Prosa veranstaltete der Fischer-Verlag mit den beiden Bänden „Loris“, die Prosa des jungen Hofmannsthal, und „Die Berührung der Sphären“. Es folgte — aus dem Nachlaß — 1932 das kostbare Romanfragment „Andreas oder Die Vereinigten“ und zwei Jahre später die „Nachlese der Gedichte“. Sowohl die Gesamtausgabe-als auch die genannten Einzelbände sind längst vergriffen — ein erfreuliches Zeichen dafür, daß die Teilnahme und Wertschätzung, welche die Mitwelt dem Lebenden versagte, sich kaum zwanzig Jahre nach des Dichters Tod seinem Erbe zuwendet. %

Je mehr wir uns in Hofmannsthals Werk versenken, das an Fülle des Gehalts und Reichtum der Formen seinesgleichen .sucht, um so mehr erkennen wir die Verpflichtung, das Erbe dieses großen österreichischen Dichters anzutreten, der uns den „Jedermann“, „Das große Salzburger Welttheater“ und den „Turm“ geschenkt hat. Daher ist die Gesamtausgabe in zwölf umfangreichen Bänden, welche der

Bermann-' Fischer-Verlag, Stockholm, plant, nicht nur für den Philologen und Literarhistoriker von Interesse. Die beiden erschienenen Bände umfassen die Erzählungen, die Gedichte und die lyrischen Dramen. Unter den Erzählungen finden sich drei bisher völlig unbekannte Stücke von erlesener Schcyhheit: „Der goldene Apfel“ (zwischen ^894 und 1898 entstanden), „Das Märchen von der verschleierten Frau“ (1900) und der Anfang nebst Notizen zu einem P-rosastück, das zum Eigenartigsten gehört, was Hofmannsthal geschaffen: „Dämmerung und nächtliches Gewitter“ (1911). Besonders hervorzuheben ist das Romanfragrnent „Andreas“, welches — nach den Worten eines Freundes des Dichters — „ein österreichischer Wilhelm Meister“ geworden wäre mit den beiden Entwürfen „(Venezianisches Reisetagebuch des Herrn von N.“ und „Das venezianische Erlebnis des Herrn von N“, dessen Haupthandlung-, nach den letzten Plänen Hof-mannsth.als in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderte verlegt werden sollte.

Der 1 zweite Band enthält neben den bekannten und in der „Nachlese der Gedichjte“ veröffentlichten etwa zwanzig zumeist frühere Gedichte aus dem Nachlaß. Zum t erstenmal in Buchform erscheint vollständig das Drama „Das Bergwerk zu •Faluri“, dessen dritter Akt sich im Nachlaß fand/, sowie ein Nachtrag zu dem lyrischen Dra/molet „Der Tod des Tizian“. Die künftige Hofmannsthal-Forschung wird sich au f diese Ausgabe, die Herbert Steiner be treut und welche der Verlag auch äußerlich würdig ausgestattet hat, zu stützen Jhaben; die immer größer werdende Ge-rmeinde der Freunde des Hofmannsthalschen v Werkes aber wird dankbar die aus dem Nachlaß zutage geförderten Stücke entgegennehmen.

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