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Eine bemerkenswerte Neuerscheinung in der Fischer-Bücherei ist das Werk „Zeichen der Z e i t“, ein deutsches Lesebuch in vier Bänden. Der vierte Band ist unter dem Titel „Verwandlung der Wirklichkeit“ zuerst erschienen. Das gesamte Werk soll in ausgewählten Texten „die Epochen deutschen literarischen Lebens“ von Lessing bis zur Gegenwart zeigen und „Entwicklungen und Ideen in ursprünglichen Zeugnissen“ hervortreten lassen. Im vierten Band hat nun der Herausgeber Walter Killy Texte aus der deutschen Literatur zwischen 1880 und 1945 — also aus einem Zeitraum voll bedeutsamer Veränderungen in der Struktur der Gesellschaft und im Geistesleben — in acht großen Gruppen geordnet (Epoche; Menschenleben; Wirklichkeit; Ueberlieferung; Landschaften; Technik; Macht; Letzte Dinge). Sie bezeugen deutlich die einschneidenden Veränderungen im Verhältnis des Menschen zu den Dingen, sein Lebensgefühl, das sich aus den alten geistigen Ordnungen gelöst hat und im Zeichen einer Verwandlung der Wirklichkeit steht. Alles wird zutiefst fragwürdig, aus einer neuen Geistigkeit wächst eine Vielfalt neuer Kunstrichtungen. Wesentliches dieser Problematik geht aus dem Chandos-Brief von Hofmannsthal hervor, der im Vorwort mit Recht als ein Kernstück der Sammlung bezeichnet wird. Auswahlprinzip war nrcht lfl' erster Linie der literarisch Rang eines Textes, sondern sein dokumentarischer Wert, seine Art, „das der Zeit Eigentümliche“ auszusagen. Der Begriff Literatur ist hier im weiteren Sinne zu verstehen. Wir finden neben den Dichtern auch Textstellen von Buber, Haecker, Scheler, Freud, Planck und Guardini. So mancher literaturkundige Leser wird wohl einige Autoren, deren Werke deutliche „Zeichen der Zeit“ tragen, vermissen oder aufgenommene Texte als weniger charakteristisch und daher entbehrlich empfinden. Aber immerhin: die Sammlung ist ein wirklich verdienstvoller Versuch, und dieser eine Band macht uns auf die noch kommenden Bände neugierig.

Ebenfalls in der Fischer-Bücherei erschienen der Feuilletonband „Der runde Tag“ von Sigismund von R a d e c k i und der Roman „Irgendwo in Tibet" von James H i 1 t o n. Radecki, der schon viele Beiträge in diesem Blatt veröffentlicht hat und dessen geschliffener Stil von origineller persönlicher Prägung die Lektüre seiner Schriften zu einem wah ren Genuß macht, bietet hier eine Auswahl kleiner Prosastücke und Verse voll Geist, Witz und Gemüt. Diese „kleinen Formen“ scheinen so leicht hingeschrieben, aber der verständnisvolle Leser weiß, daß sie nur durch unablässige sprachliche Zucht gemeistert werden können. — Der Roman von Hilton, einst ein großer Bucherfolg und auch verfilmt („Verlorene Horizonte“) schildert die spannenden Erlebnisse von vier im Flugzeug nach Tibet entführten Engländern. Diese geraten in ein seltsames Lamakloster, dessen Bewohner, von der übrigen Welt abgeschlossen und im Besitz von Mitteln, die das Leben beträchtlich verlängern, die Kulturschätze der Welt hüten und sich zu einer Philosophie der weisen Mäßigung bekennen. Der Roman ist eine merkwürdige, aber fesselnde Verbindung von Utopie und Abenteuergeschichte.

Aus der Rowohlt-Bücherei seien zwei sehr bekannte Romane herausgegriffen; „Die häßliche Herzogin“ von Lion Feuchtwange r, die realistisch erzählten Lebensschieksale der Margarete Maultasch vor dem Hintergrund der mittelalterlichen Welt, und ein Werk der großen Literatur „D i e Kartause von Parma“ von Stendhal (in der Reihe von Rowohlts Klasjikerausgaben). Die tįlebertragūhg stammt von Walter Widtiier, das ausführliche Nachwort und die Bibliographie von Rudolf Baehr. Dieser psychologisch subtile Meisterroman beweist, daß Stendhal einer der bedeutenden Wegbereiter des modernen Romans war und daß er auch die Autoren von heute vieles zu lehren vermag.

In den Bereich des religiösen Lebens führt uns die Neuausgabe des heute wieder sehr aktuellen Buches von Heinrich Scharp: „Wie die Kirche regiert wird“ (Herder-Bücherei). Es gibt einen knappen, aber guten Ueberblick über die vielfältige Tätigkeit des Statthalters Christi und seiner Mitarbeiter und unterrichtet über die päpstliche Hofhaltung, mit ihren Zeremonien und Würdenträgern, die Kardinale, die Konsistorien, die Aufgaben der einzelnen Kongregationen, die Gerichtshöfe, die Aemter; und das Tagewerk des Papstes. Die Darstellung verharrt nicht im Aeußerlichen, sondern zeigt, „wie im Wandel weltlicher Formen alles Wesentliche ständig bewahrt wird“.

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