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Autor und Verleger

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Unter dem bescheidenen Titel „Almanach 87“ verbirgt sie eine, nein verstecken sich gleich mehrere Korrespondenzen Hofmannsthals: mit dem Schweizer Literarhistoriker und Essayisten Max Rychner, mit den Lektoren des Fischer-Verlages Oscar Bie und Moritz Heimann sowie schließlich mit dem Ehepaar Samuel und Hedwig Fischer, denen Hofmannsthal ein halbes Leben, während seiner ganzen künstlerischen Laufbahn, auch menschlich-freundschaftlich verbunden war.

Ea handelt sich in diesen rund 150 Briefen um „geschäftliche“ Korrespondenzen zwischen den Urfedn-den Autor und Verleger. Meist ist es doch so, daß sich der erstere nicht genügend honoriert fühlt (in der doppelten Bedeutung das Wortes), sondern sich nur ausgebeutet und übers Ohr gehauen wähnt, während der letztere oft im Autor einen faulen und räuberischen Gesellen sieht, der ihn, den Verleger, ruiniert, weil er für ihn hohe finanzielle Risken eingehen muß.

Wer nun diese Briefe liest, bekommt den Eindruck, daß es fallweise doch ein wenig anders zugegangen ist. Speziell im Fall Hofmannsthal.

Der erste Teil dieser Korrespondenz gibt Aufschluß über Hofmanns-thals Mitarbeit an der von Max Rychner herausgegebenen Zeitschrift „Wissen und Leben“, die seit 1927 in „Neue Schweizer Rundschau“ umbenannt und 1931 eingestellt wurde: Auf der Höhe ihres Ansehens verhungerte sie an ihren 2000 Lesern. — Ein anderes Organ war die „Neue Rundschau“ des Fischer-Verlages, die ganze Theaterstücke von Hofmannsthal und andere wichtige Arbeiten vor dem Erscheinen in Buchform publik machte.

Die Zusammenarbeit mit Max Rychner begann 1922 und endete mit Hofmannsthals Tod. Bereits mit 25 Jahren war Rychner „Redaktor“ einer Zeitschrift, die „eine Art Aktualität auf lange Sicht“ anstrebte und deren spiritus reetor Rychners .^universelle Neugierde“ gewesen ist.

So gelang es ihm, die besten Köpfe der Zeit um seinen Tisch zu versammeln: C. G. Jung und Thomas Mann, Gundolf und Croce, Spengler, Or-tega, Einstein, Masaryk und viele andere. In dieser Gesellschaft fühlte sich Hofmannsthal wohl, er selbst aber war so gar kein flotter Essayist und gesteht wiederholt, wie langsam er produziere und wieviel Kraft ihn gerade solche „Gelegenheitsarbeiten“ kosteten. Geburtstagsartikel und Zentenarfeiern mochte er überhaupt nicht, geriet fast in Zorn, wenn man so etwas von ihm erbat, beneidete aber gleichzeitig Wassermann und Thomas Mann, die mit Talent und Geschicklichkeit sich solcher Aufträge entledigten ... Immer wieder schickte er statt der eigenen Arbeiten solche ; von ihm geschätzten Freunden ein und freute sich über jede Würdigung, die sie in Rychners Zeitschrift erfuhren.

Das gilt auch für seine Mitarbeit an der „Neuen Rundschau“ seines eigenen, des Fischer-Verlages Zeitschrift Dabei geht es oft um Geld, und Hofmannsthal genierte sich nicht, auch für andere zu bitten, so zum Beispiel wendet er sich an Frau Hedwig Fischer und setzt sich für eine laufende Unterstützung von Edgar Varese ein, einem der kühnsten Neuerer der damals modernen Musik, der recht eigentlich erst in unseren Tagen entdeckt wurde. (Man erlebt bei Hofmannsthal immer wieder Überraschungen, so zum Beispiel wenn er für Bert Brechts „Baal“ eintritt: beides Künstler, deren Talent seinem eigenen durchaus entgegengesetzt war.)

Im Hauptteil der Korrespondenz mit Samuel Fischer geht es um die Vorbereitung einer ersten Gesamtausgabe: das Resultat waren dann die sechs schmalen kartonierten Bände in zwei Reihen. Schwierigkeiten gab es wegen des Insel-Verlages, den Hofmannsthal nicht ganz aufge-gen wollte und dies Fischer gegenüber mit freundlich-beredten Worten zu explizieren versuchte. 1922 schreibt er an seinen Hauptverleger: „Es ist mir überaus wohltuend, einen Menschen, nicht einen Geschäftsmann zum Verleger zu haben.“ Schon als Mensch und aus Österreicher sei er auf Aussöhnung der Gegensätze bedacht. „Ein von Kindheit an nachdenkliches Gemüt und die furchtbare Lehre der Epoche haben dies Gepräge in mir noch vertieft und wer mir anders entgegenkommt, der zieht mir den Boden unter den Füßen weg und macht mich vor Sckreck und Widerwillen erstarren.“ „Sie sind“, schreibt er Fischer, „immer ein kluger und weitblickender Mann gewesen... Das ist ja doch eben Kultur, daß wir alle versuchen wollen, bevor wir sterben, diese und viele andere Dinge so frei und entladen unseres Selbst als nur möglich zu sehen — und darin den Männern hinabgesunkener glücklicherer Generationen ähnlich zu sein ...“

Aus dieser Korrespondenz erfahren wir auch von Hofmannsthals letztem Plan, der aber nicht mehr zur Ausführung gelangte: der Piper-Verlag war an ihn herangetreten, ein Buch über Philipp II. und Don Juan d'Austria zu schreiben. In seinem letzten Brief an Samuel Fischer vom 11. Juli 1929 — vier Tage später war Hofmannsthal tot — erinnert er an den Tag vor genau 30 Jahren, als er den ersten Kontakt mit diesem Verlag aufnahm, für den er mehr als nur ein Autor unter vielen war.

HUGO VON HOFMANNSTHAL. Briefwechsel mit Max Rychner, mit Samuel und Hedwig Fischer, Oscar Bie und Moritz Heimann. Almanach 87. S.-Fischer-Verlag, 252 Seiten.

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