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BRIEFE AN EINEN SCHIFFSOFFIZIER

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Hugo von Hofmannsthal war, ähnlich wie Goethe, ein außerordentlicher Briefschreiber. Sein Briefstil hat die besondere Qualität, daß er auf die Person des Empfängers jeweils höchst persönlich und sensitiv eingeht; vor allem die Jugendbriefe des Dichters sind in diesem Sinne der Einfühlung in den Partner besonders eindrucksvoll.

Es liegen heute, neben ein er fragmentarischen, bis 1808 reichenden Edition ausgewählter Briefe; die wichtigen literarischen Arbeitsbriefwechsel mit Richard Strauss und Stefan George vor; aus dem Freundeskreis die Korrespondenz mit Bodenhauisen, Borchardt und Burckhardt. 1962 hat dann der um Hofmannsthals Werk und Erbe bemühte S.-Fischer-Verlag eine neue Briefreihe begonnen, in der zunächst die Korrespondenz mit Arthur Schnitzler und Helene von Nostätz erschien. Als letzter folgt nun der Briefwechsel mit dem jungen Schiffsoffizier Edgar Karg von Bebenburg. Dieser Band umfaßt nur 14 Jahre einer Jugendfreundschaft — von 1892 bis 1905; er ist jedoch eines der schönsten Zeugnisse für die menschliche Qualität der Hofmannsthalschen Freundschaften. Es ist kein literarischer Briefwechsel, dennoch enthält er einige der wichtigsten Äußerungen Hofmannsthals über Bücher und Kultur, über Lektüre und Erziehung, viele Antworten für den Fragenden.

Im Sommer 1892, bei einem der üblichen Sommeraufenthalte in Strobl am Wolfgangsee, lernt der achtzehnjährige Hofmannsthal den zwei Jahre älteren Baron Karg kennen. In einer fast spielerischen Zeit mit Segeln, Tennisspielen und „Gardenpartys“ kommen die jungen Leute zu einem schnellen Freundschaftsbund, der dann, als der junge Karg seine Karriere als Seekadett beginnt, einen intensiven Briefwechsel auslöst. Hofmannsthal schreibt am Beginn dieser Korrespondenz: „Mir ist, glaub' ich, noch nie eine Freude so unerwartet vom Himmel gefallen wie Deine Freundschaft. Das Wichtige, was wir erleben, werden wir uns nicht erzählen können, denn wir werden es nicht bemerken. Aber ich glaube, wir können manchmal ein Stückchen subjektiver Stimmung und Empfindung auf so ein Stück Papier schreiben, und so wird eine Korrespondenz daraus werden, wie im vorigen Jahrhundert, wo die Leute viel hübscher geschrieben haben, viel graciöser und viel vornehmer, weil die Briefe von einem deutschen Nest zum anderen einen Monat brauchten...“

Es ist bekannt, daß Karg für Hofmannsthal viel bedeutet hat; einige seiner Aufsätze und Einleitungen sind direkt für ihn geschrieben und tragen — wie die Ausgabe der Briefe des jungen Goethe 1903 — auch eine Widmung. Im Kreise der gleichaltrigen Freunde des Dichters, die meist aus dem Adel stammten, nimmt Karg eine besondere Rolle ein. Wie klar erhellt, ist Hofmannsthal schon zu Beginn der Führende, der geistig weit Überragende; aber er lehrt den etwas älteren Freund sehen — vor allem beim Beschreiben der vielen Schiffsreisen um die Welt. Während Hofmannsthal wohl geborgen in Wien sitzt, bedeuten ihm diese Berichte aus der bunten Welt des Seekadetten außerordentlich viel. Bald lernt Karg während sedner Landaufenthalte die anderen Freunde des Wiener Kreises um Hofmannsthal kennen, die sich meist in den Kaffeehäusern der Ringstraße, besonders im berühmten Cafe Grierasteidl trafen. Da sind die Brüder Franckenstein, der spätere Diplomat und der Intendant, da ist Josef Graf Schönborn und vor allem der zarte Dichter Leopold Andrian, der die Freunde mit seinem „Garten der Erkenntnis“ entzückt, und Karg sitzt mit ihnen allen in den literarischen Cafes, er selbst völlig unildterarisch, aber bildungshungrig und aufgeschlossen.

Zwei Faktoren bleiben im Leben des Schiffsofflziers dominant: die immer vorherrschende Geldnot, die noch durch eine bis zur geistigen Störung extravagante Mutter kompliziert wird; und eine bereits zeitig auftretende Lungentuberkulose, die zuerst um 1900 in Pöla, im feuchten Klima der Adria, ausgebrochen sein muß; auch der etwas jüngere Bruder Hannibal wird davon befallen. Diese ständigen Krankheiten steigern wiederum die Geldverlegenheiten der Familie. Hofmannsthal sucht aus der Güte seines Herzens heraus, dem Freund ständig geldliche Unterstützung zukommen, zu lassen und sammelt auch im Freundeskreis dafür. Außerdem wird alles versucht, den Schiffsleutnant in ein Ministerium nach Wien zu bringen. Als er endlich 1905 den ersehnten Posten erhält, ist er schon vom Tode gezeichnet und hat nur noch wenige Wochen zu leben.

Die im S.-Fischer-Verlag erschienene Korrespondenz (272 Seiten) wurde von der Germanistin Mary Gilbert von der Universität Cambridge betreut und mit den notwendigen Anmerkungen und biographischen Notizen versehen. Sie ist ein weiterer Baustein für die noch ausstehende große Biographie Hofmannsthals und ein sympathisches Zeugnis für seine menschliche Größe.

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