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Der Österreicher Hofmannsthal

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Hugo von Hofmannsthal: Oesterreichische Aufsätze und Reden. Ausgewählt und eingeleitet von Helmut A. Fiechtner. Oesterreich-Reihe Band23/24. Bergland-Verlag. 160 Seiten. Preis 18 S.

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Hugo von Hofmannsthal: Oesterreichische Aufsätze und Reden. Ausgewählt und eingeleitet von Helmut A. Fiechtner. Oesterreich-Reihe Band23/24. Bergland-Verlag. 160 Seiten. Preis 18 S.

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Mit sicherer Hand und mit viel Geschmack hat Professor H. A. Fiechtner, zweifellos einer der besten Kenner Hofmannsthals, aus dem Gesamtwerk dieses österreichischesten der großen deutschen und deutschesten der großen österreichischen Dichter der vorigen Generation, die Zeugnisse gesammelt, die den Autor des „Rosenkavaliers“, des „Schwierigen“ und der „Arabella“, den Herausgeber des „Deutschen Lesebuchs“ und des Buchs von „Wert und Ehre deutscher Sprache“ zwiefach beglaubigen: als erglühend vom innern Auftrag und als dessen bereiter Erfüller. Das wohlabgewogene Vorwort Fiechtners trägt viel dazu bei, allen denen den Zugang zur Gedankenwelt, zum immerhin abgehegten Kreis, in dem sich Hofmannsthal geistig und physisch bewegte,' zu eröffnen, die von beidem, der Denkensart und dem, freilich den weitesten Ausblick auf die Landschaft umher gestattenden, mehr barocken als romantisch-elfenbeinernen Turm, nur vage Kunde haben.

Es ist zunächst hervorzuheben, daß diese Bekenntnisse zu Oesterreich, zu dessen glorreicher Vergangenheit und zu einer, damals umdüsterten, doch stolz erschauten Zukunft, alle aus der Zeit nach dem Ausbruch des ersten Weltkrieges stammen (abgesehen vom kurzen Prosa-Abgesang zum „Rosenkavalier"). Aehnlich wie sich das Nationalgefühl der Völker erst am Kampf gegen es bedrohende Feinde entzündet und gefestigt hat, ist das Oesterreichische, das Deutsche in Hofmannsthal, schon vordem stets ihm wesenhaft und selbstverständlich, durch die Gefährdung aktiv, ja in gewissem, in bestem Sinne aggressiv geworden. Er war sich dabei dessen bewußt, daß Deutsch und Oesterreichisch einander ergänzende Begriffe sind, die nicht der Gleichsetzung, sondern der gegenseitigen Auseinandersetzung bedürfen; die er pathetisch in „Wir Oesterreicher und Deutschland", mehr ironisch in „Preuße und Oesterreich“ vorgenommen hat.

Es Ist dem Poeten, einem Seher, der aber beileibe kein Prophet war — und vielleicht-darum in seinem Vaterlande mehr gegolten hat als ein anderer und größerer, der nicht nur sah, sondern auch vorhersah —, es ist' Hofmannsthal gelungen, in ähnlich unverblendeter Liebe seine Heimat und deren Menschenschlag schildernd nachzubilden, wie das vor ihm Grillparzer getan hat. Fiechtner verweist sehr richtig auf derlei Parallele, indem er Kaßners, wie immer das rechte Maß gebende, Stimme zitiert. Wir sind dem Herausgeber überhaupt dafür dankbar, daß er aus seinem früheren Sammelband gültige und tiefe Charakteristiken des bedeutenden österreichischen Dichters (von Borchardt und Hofmiller), auch daß er zwei Briefe an Josef Redlich mit abgedruckt hat. Gerne hätten wir jedoch außerdem ein paar entscheidende Stellen aus der Hofmannsthal-Rede des deutschen Bundespräsidenten Heuß beigefügt, die wir als repräsentativ für die Wertung des in ihr Gefeierten durch die heutige deutsche Bildungsoberschicht betrachten.

Zuletzt: die vortreffliche Anthologie Fiechtners soll und muß noch einem andern als ihrem unmittelbaren Zweck dienen; dem, die durch sie gewonnenen Leser an die Werke selbst heranzuführen, in denen Hofmannsthal die Gestalt und die Gestalten des Ewigen und des in seinen glücklichsten Zeiten sich getreuesten Oesterreich heraufbeschworen und für die fernen Enkel, wie für die in Zeit und Raum noch Ferneren jenseits der Grenzen festgehalten hat: eben zum „Rosenkavalier", dem „Schwierigen“, dem „Unbestechlichen“, „Arabella“, zu „Andreas“ (oder jenen Vereinigten, hinter denen noch keine Staaten stehen), endlich zum vielfältigen Briefwechsel, den die hervorragende, von Herbert Steiner besorgte Ausgabe der Gesammelten Werke darbietet.

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