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Hofmannsthal und Reinhardt

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Von Hofmannsthal stammt das Wort: „Wer Dramatisches hervorbringt und sich dabei doch mit dem Theater nicht recht einlassen will, erscheint absurd.“ Gelegentlich einer 1922 von der Österreichischen Nationalbibliothek veranstalteten, durch Jahrhunderte führenden Theaterausstellung bekundete der Dichter überdies, wie notwendig und über die Zeiten hin befruchtend ihm solfh ein Unterfangen ‘erscheine. „Das Theater“, heißt es in einem Komödie überschriebenen, in der „Neuen Freien Presse“ erschienenen Begleitaufsatz, „ist von den weltlichen Institutionen die einzig übergebliebene gewaltige und gemeingültige, die unsere Festfreude, Schaulust, Lachlust, Lust an Rührung, Spannung, Aufregung, Durchschütterung geradhin an den alten Festtrieb des alten ewigen Menschengeschlechtes bindet. Es hat seine Wurzeln tief und weit in den Unterbau getrieben, auf dem vor Jahrtausenden das Gebäude unserer Kultur errichtet ist; wer sich ihm ergibt, ist über manches, das die anderen begrenzt und bindet, hinweggehoben … Alles was sich auf Theater — das wahrhaftige, nicht das der Literatur — bezieht, ist lebendig, gemeingültig, menschen- haft. Je näher man dem Eigentümlichen des Theaterwesens kommt, desto mehr tritt man aus dem Bann der eigenen Zeit heraus. Theatralisches Gerät und Gerüst, sei es was es sei — nicht mit Bildungssinn, nur mit Lebenssinn können wir es ansehen. Nichts ist demnach weniger ,historisch’ als eine Ausstellung aufs Theater bezüglicher Gegenstände. Alles soll hier — und wäre es fünftausend Jahre alt — in seiner augenblicklichen Anwendbarkeit auf ein noch Daseiendes erkannt und gewertet werden. Viel eher muß die Schaustellung einem Arsenal bei noch währender Schlacht als einem toten Museum gleichen. Denn was wäre wahrhaft theatralisches Element, das nicht etwa noch einmal zum Leben erwachen könnte — und gar hier in IVlen, wo die Oper sich vom Schauspiel niemals ganz abgetrennt hat…, wo das theatralische Wesen allzeit vom Sinnfälligen aus zu empfänglichen, sinnlich begabten Menschen sprach und stets der Schauspieler, der Sänger, der Mime der Träger des theatralischen Ganzen war, das nur durch ihn und anders nicht, als ein Ganzes kann genossen werden.“

Diese Theaterausstellung mit all ihren Zeugnissen längst vergangener Zeiten, schließt Hofmannsthal seine Betrachtung, wolle deshalb bezeugen: „Das Theater ist ein ewiges Institut, auf Sinnenfreuden und den schöpferischen wie empfänglichen mimischen Kräften aufgebaut,

… durchaus eine Welt für sich, und von den großen geselligen Institutionen, die in einer verwirrten und vereinsamten Welt noch in Kraft stehen, die älteste, die ehrwürdigste und die lebensvollste.“

Wenn nun, im Gedanken an Hofmannthals hundertsten Geburtstag, versucht wurde, dem Thema .Hofmannsthal auf dem Theater seiner Zeit’ in einer AUsstellüng gerecht zu werden, dann mußte es unser Bemühen sein, den von Hotmannsthal selbst mit einer Theaterausstellung verbundenen Erwartungen nach Möglichkeit gerecht zu werden. Aus den Beständen der Theatersammlung der Österreichischen Nationalbibliothek und der Max-Reinhardt-Forschungs- und Gedenkstätte, aber auch mit Hilfe von Leihgaben aus den Theatersammlungen von Hamburg und Köln, wurden diejenigen auf Hofmannsthals Bühnenschaffen bezogenen ‘ Objekte ausgewählt, die einerseits für seinen eigenen schöpferischen Entwicklungsgang und seine Zusammenarbeit mit den Bühnenkräften seiner Zeit, anderseits aber zugleich auch für die gesamten theatralischen Wandlungen dieser Èpoche am bezeichnendsten sind. Wie Hofmannsthal es verlangt, wurde dabei dem Sinnenhaften, dem bildhaft diese Theatewelt Veranschaulichenden der Vorrang eingeräumt, wenngleich auch die Wortquellen in sparsamerer Auswahl nicht fehlen.

In fünf großen Gruppen zieht Hofmannsthals Begegnung mit dem Theater seiner Zeit am Besucher vorüber; in einer ersten, die seine noch tastende Suche nach der großen theatralischen Form dokumentiert; in einer zweiten, die zu jenen Schauspiel- und Operngestaltungen führt, in denen Hofmannsthal sich von der Motiven- und Gestaltungswelt der Antike inspirieren ließ; in einer dritten, die seine vielgestaltigen Komödienmöglichkeiten auffächert und dabei auch wieder Schauspiel, Oper und Ballett dicht nebeneinander rückt; in einer vierten, die sein barock- und mysteriennahes Theatrum mundi offenbart; und in einer Ausklangs- Abteilung, die späte Versuche, tragische und heiter-gelöste, politisch-betonte und gesellschaftskri’ti- sche, im Licht der theatralischen Bewältigung voriührt.

Die Leistung der Regisseure, die Hofmannsthal zur Bühnenverwirk- licbung seiner Werke verhalten, allen voran Reinhardt; die der Schauspieler, Sänger und Tänzer, mit denen sich Hofmannsthal eng verbunden wußte, ja auf deren Eigenart zu er oft seine Rollen ent-

Anna Bahr-Mildenburg und Lucille Marcel in „Elektra“ von Hofmannsthal und Strauss, Wien 1909

warf; die Kunst der Bühnenbildner und Kostümgestalter, die den Hofmannsthal-Aufführungen Farbe und Duft oder raumgewaltige Monumentalität schenkten; nicht erst zu reden von der Meisterschaft seiner Komponisten, die, wie Richard Strauss, vom Wort und von der Gestaltenwelt Hofmannsthals ausgehend, Opern- oder Ballettschöpfungen zustande brachten, die Welterfolge errangen — alle diese Konfrontationen der einander ergänzenden Kräfte kommen in der Ausstellung Hugo von Hofmannsthal auf dem Theater seiner Zeit zur Geltung.

Der Katalog versucht, die ausgestellten Objekte mit Hilfe knapper Quellenhinweise zu erläutern, die von J. Führich-Leisler, Dr. Gisela Prossnits und Dagmar Wünsche- Hinker mit viel Finderglück zu be- kennendwerter Akribis erarbeitet wurden.

Es ist das Ziel dieser Ausstellung, dem Besucher ein möglichst lebendiges Bild von der Wechselwirkung zwischen Hofmannsthal und dem Theater seiner Zeit zu gewähren und — wie der Dichter es wünscht — das Vergangene als Ansporn für Künftiges wirken zu lassen.

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