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Aus Ringelbusch' Nachlaß

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Wer Alois Hergouth nur aus seinem heute schon in viele Sprachen übersetzten lyrischen Werk oder aus seinem berührenden Prosabuch „Mond im Apfelgarten“ kennt, wird von seinem neuesten Buch „Aloys und Aloise“ überrascht sein. „Exhumierte Galgenlieder aus dem Nachlaß von Christian Ringelbusch und Wilhelm Morgennatz“ nennt er selbst die Sammlung humoristischer Poeme; aber trotz der Anspielung auf die großen Meister deutscher Satire darf das Werk als ein „echter Hergouth“ bezeichnet werden. Nur formal erinnern die Verse an die erwähnten Vorbüder, bewußt, denn diese um die Jahrhundertwende entstandene Form humoristischer Reime hat sich als zeitlos gültig erwiesen.

Im Grunde sind diese Verse über Leben, Denken und Lieben von Aloys und Aloise, so sehr sie sich von der bisherigen, von leiser Trauer überschatteten Lyrik Her-gouths unterscheiden, doch Variationen oder Spiegelbilder dieser Lyrik. Denn Hergouth, und das ist das Originelle und Faszinierende an diesem Werk, macht sich darin nicht über die Welt, über die Mitmenschen lustig, sondern über sich selbst. Er hat den Mut, über sich selbst, seine Gefühle und seine Ideen zu lachen.

Was aus tiefer Empfindung oder reifer Erkenntnis in seinem bisherigen Werk zum Gedicht wurde, hier lächelt er darüber, nimmt es nicht ernst, oder spielt mit dem Gedanken, es nicht ernstnehmen zu müssen. Er tut dies aber niemals mit kühlem Sarkas-mus, sondern stets mit dem fast väterlichen Lächeln gegenüber den Torheiten eines Sohnes: Selbstironie, die sich selbst wieder ironisiert und so die Rückkehr zum echten Gefühl ermöglicht.

In diesen satirischen Versen sind immer wieder Liebe, Sehnsucht und Trauer — trotz aller Verstellung — die heimlichen Motive.

Die durchwegs — wenn auch oft bewußt sehr skurril — gereimten Gedichte sind in den letzten Jahren entstanden, in denen Hergouth schwer erkrankt war, als selbsterzeugte Arznei gegen bittere Schmerzen.

In einer der witzigen Fußnoten merkt der Autor an, daß diese Gedichte nicht zum Lesen gedacht, sondern Sprech-Gedichte sind. Und tatsächlich kommt erst durch lautes Lesen der Wortwitz, der sich auch durch Lautzusammensetzungen ergibt, zum Vorschein.

Der Dichtung ebenbürtig sind die köstlichen Zeichnungen von Edwin Eder, die über die illustrative Funktion hinaus auch selbständigen Wert haben. Dichtung und Graphik ergeben zusammen ein Buch von köstlicher Originalität, von einem wohl satirischen, aber niemals boshaften Humor, wie er in unserer Zeit zwar selten, aber höchst notwendig ist. Schon der Eröffnungsvers verrät dies: „Aloys ist nämlich / ein Poet. / D.h.: / Wenn sein geistiges Gesicht / schwarz auf weiß / geschrieben steht, / ist das ein Gedicht. / (Oder nicht.)“

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