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Avantgardeschmock

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„Ich habe mich nie integrieren können“, schreibt selbstgefällig Peter Turrini (Jahrgang 1944) im Programmvorwort anläßlich der Uraufführung seiner Monsterrevue „Zero Zėro“ im Theater an der Wien. Dies scheint überhaupt der tiefere (und möglicherweise einzige) Grund dafür, daß er die alten gesellschaftlichen Hierarchien durch eine Änderung der sprachlichen Hierarchien aufhefoem möchte. Jedenfalls haben die Wiener Festwochen nach dem Erfolg seiner „Rozznjogd“ im Volkstheater das ‘ Avantgarde-„Kunststück mit Musik“ bei ihm als Auftragsarbeit für die Eröffnung des Zyklus „Theater der offenen Form“ bestellt. Wußte man nicht, daß damit die Katze im Sack gekauft wurde?

Die Eröffiniungsgala — eine denkwürdige Pleite — zeigte, was Turrini seinem Publikum zu bescheren bereit war: eine dürftige Kitschrevue, in der alle Theaterformen mutwillig und ohne Fingerspitzengefühl durcheinander gemischt wurden: Songs, Litaneien, Pantomimisches, große Show, Popmusik, Kabarett… Als Bindemittel dient die banale Geschichte einer Liebe per Telephon (schale Pseudopoesie) und ihrer Verhinderung. Und das alles, um ein paar Sprachklischees aufzuweisen? Tatsächlich werden auch sie nur bedingt bloßgelegt. Damit, daß man Werbeslogans nebeneinander stellt, zu endlosen, manchmal ganz lustigen Montagen arrangiert, hebt man diese Klischees noch nicht auf. Aber viel mehr passiert nicht. Nach zwanzig

Minuten weiß man, daß dieser Kunst- ‘Und Gunstgewerbeladen der Sprache eigentlich ein verschmockter Trödelladen ist, ein Zirkus abgedroschener Phrasen, der lediglich durch Jan Biczyckis souverän aufwendige, bombastische Massenregie, Peter Janssens Musikmontagen, Heinz Ludwigs Bühnenbild und Roma Ligockas surreal-bizarre Kostüme symbdlträchtig und bedeutungsschwer gemacht wurde.

Im Grunde hat man all das, was Turrini da zusammengetragen hat, schon oft gehört: Jeder harmlose Sketch, jede Revue, jedes „Brettl“ hat mehr Gags und bessere Pointen. Und auch mit dem „neuen Theater“, mit der „offenen Form“ ist es nicht weit her. Hätte man Turrini ein Auslandsstipendium für Theaterstudien in Höhe dieser Uraufführungsspesen gegeben, hätte man ihm einen besseren Dienst erwiesen.

• Die Oper des Prager National- theaters wird im September 1971 an drei Abenden im Nationaltheater Mannheim mit drei Opern tschechischer Komponisten gastieren: Dvoraks „Rusalka“, Janačeks „Das schlaue Füchslein“ und Smetanas „Libussa“.

• Claude Picasso, der uneheliche Sohn des Meisters und von Fran- ęoise Gilot, ist nicht erbberechtigt: Dies stellte ein Gericht in Aix-en- Provence fest.

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