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Bis zum Kollaps

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Soviele Abenteuer pro Buchseite wie bei Colin Forbes hat es schon lange nicht mehr gegeben. Als Roman mag sein Buch „Target V“ zwar nicht ins Gewicht fallen, aber als Kuriosum zählt es. Reden wir nicht vom Stil. Reden wir von dem, was passiert. Wo soviel geschieht, ist für Stil einfach kein Platz.

Amerikanische und sowjetische Forschungs- (sprich: Spionage-) Stützpunkte driften mit dem Eis, auf dem sie stehen, um den Nordpol. Ein Mann, der alles kann, macht sich auf amerikanischer Seite auf den Weg, um einem russischen Gelehrten, der zu den Amerikanern überlaufen will, entgegenzugehen und ihn in Sicherheit zu bringen. Der Russe bringt auf Mikrofilm „die kompletten strategischen Pläne des sowjetischen U-Boot-Netzes“. Was auf sowjetischer Seite ein mächtiges Feuerwerk rechtfertigt, um ihn zurückzuhalten.

Das Interessante an diesem Buch ist, daß hier ein perfektes, auf Papier gedrucktes Äquivalent für eine bestimmte Sorte von Filmen geboten wird, in denen die allzufrüh eingebauten Abenteuer zu immer weiteren Steigerungen zwingen, bis die Handlung kollabiert.

Im gegenständlichen Fall ist der Superman der Amerikaner noch gar nicht unterwegs — da wird er schon von einem bösen Verräter angeschossen, da hängt er auch schon, seines arktischen Handschuhs entblößt, über einem Abgrund, besteht er auch schon — in so ungünstiger Ausgangsposition! — an einem'Finger hängend seinen ersten Zweikampf Mann gegen Mann, zum

Glück hat der andere sein Gewehr verloren.

Der Kollaps der Handlung vollzieht sich synchron mit dem Kollaps eines Hohleisberges, der das sowjetische Forschungsschiff „Revolution“, mit dem Oberschurken und Geheimdienstchef Papanin an Bord, innerhalb von Sekunden unter Millionen Tonnen Eis begräbt. Recht geschieht es den Bösewichtern, denn sie wollten den amerikanischen Eisbrecher „Elroy“, der den sowjetischen Überläufer Gorow aufgenommen hat, rammen. Aber Supermän-nern fällt eben immer etwas ein. In äußerster Not bringen sie mit Dynamit einen Hohleisberg zum Einsturz ...

Dazwischen stürzen Flugzeuge ab, werden Hubschrauber gekapert, droht der „schwarze Frost“ brave Seeleute auf den Meeresgrund zu zerren, werden einsame Polarforscher hysterisch, wird ein Eisbrecher von zwei Eisbergen so eingeklemmt, daß er verschwindet, ohne daß ihm etwas passiert, bleiben auf geheimnisvolle Weise alle Uhren an Bord stehen,und so weiter und so fort, bis zum bitteren Ende.

Die Männer hetzen über das Eis. Nichts kann sie aufhalten. Der Autor hetzt von Aktion zu Aktion. Nichts kann ihn aufhalten. Hohleisberge und Russen werden mit dem letzten Rest von Vernunft in die Luft gesprengt. -Der Rest ist arktische Leere.

TRAGET V. Roman von Colin Forbes. Marion-von-Schröder-Ver-lag in der Econ-Gruppe, 312 Seiten.

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