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Börse: Böcke als Gärtner?

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Praktisch alle Erhebungen (so z. B. die der beiden Wirtschaftsforscher Aiginger und Bayer für die Steuerreformkommission und eine anonyme Umfrage der Industriellenvereinigung) zeigen einen signifikanten Rückgang der Eigenkapitalausstattung der Wirtschaft und eine Beschleunigung dieses Vorganges in den letzten Jahren.

Die Meinungen über die Ursachen dieser Entwicklung (Besteuerung? Verschärfung des Wettbewerbsdruckes? Anstieg der Lohn- und Lohnnebenkosten? Energiepreise?) gehen auseinander (vermutlich gibt es keine monokausale Erklärung), Einigkeit herrscht aber darüber, daß dieser Trend heute mehr denn je beunruhigend ist: Aus Gründen des Gläubigerschutzes genauso wie im Hinblick auf die risikoreiche- ren Zeiten verbunden mit der dringend notwendigen Strukturanpassung.

Es fehlt daher auch nicht an Vorschlägen zur Hebung des Aufkommens an Risikokapital, wie etwa dem der Schaffung einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft mit staatlicher Haftung. Von wo diese Vorschläge auch immer kommen, eines ist ihnen gemeinsam: Die naheliegendste, in allen sonstigen westlichen Staaten (und neuerdings sogar in Ungarn) praktizierte Variante, die Aufbringung von Risikokapital über die Börse, wird nicht einmal erwähnt.

Nimmt man die derzeitige Bedeutung der Aktiengesellschaften in Österreich und die Situation der Wiener Börse als unverrückbar hin, ist das nur konsequent. Ende 1980 bedienten sich in Österreich bloß 546 Unternehmen mit zusammen knapp 69 Milliarden Schilling Nennkapital dieser Rechtsform, von denen wiederum nur 61 überhaupt an der Börse notierten.

Die Aktienumsätze beliefen sich auf eine lächerliche Milliarde (wovon wiederum etwa 40 Prozent nicht einmal über die Börse gingen). Zum Vergleich: Zum gleichen Stichtag betrug der Umlauf an festverzinslichen Wertpapieren 376 Milliarden Schilling und der Gesamtumsatz mit ihnen 22,5 Milliarden Schilling.

Den bestehenden Aktiengesellschaften mehr Risikokapital zuzuführen ist also sicher keine Lösung. Horst Knapp bemerkte einmal treffend: In Österreich sind Aktiengesellschaften keine Wachstumsbetriebe und Wachstumsbetriebe keine Aktiengesellschaften.

Die Frage, ob dieser Zustand wirklich unverrückbar ist, scheint mir bislang zumindest zu wenig untersucht. Ein Ansatzpunkt könnte die Frage sein, ob es zweckmäßig ist, daß die Börse personell fest in den Händen der führenden Kommerzbanken ist, für die naturgemäß die Zuführung von Fremdkapital (= Kredite) das bessere Geschäft als die von Risiko (= Eigen-)Kapital ist.

Wurden hier, wie es SPÖ-Wirtschaftssprecher Veselsky vermutet, die Böcke zu Gärtnern gemacht?

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