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Das falsche Flair

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Ks ist unglaublich, wer oder was alles ein „Flair“ hat (beziehungsweise haben soll), es jedoch nicht besitzt, gar nicht besitzen kann. Einem Hund, einer Katze, irgendeinem Nagetier, Wild jeder Art ist diese Eigenschaft gegeben. Tiere benötigen sie für die Auswahl der Nahrung, bei der Verfolgung einer Beute, zur Vermeidung von Gefahr, im Zusammenhang mit der Fortpflanzung usw. Kann demnach etwa Baden-Baden oder München, Paris oder Wien ein — zum Teil, wie häufig zu lesen, sogar internationales — „Flair“ haben? Nein, denn das aus dem Französischen entlehnte Wort bedeutet in richtiger Übersetzung Spürsinn, Witterung, allenfalls noch Instinkt, Ahnungsvermögen, Fingerspitzengefühl. Eine andere Anwendungsmöglichkeit gibt es nicht.

Wer „Flair“ hat, entwickelt Spürsinn, verfügt über ein „Gespür“, einen „Riecher“. Das ist alles. Was immer ansonsten damit gemeint sein mag, muß als unzutreffend und damit unzulässig abgelehnt werden. Es wird dem Ausdruck in Unkenntnis der etymologischen Sachlage fälschlich zugeordnet. Das französische Verbum „flairer“ geht auf das lateinische „fragrae“ ss duften, riechen zurück und wird auch so (zudem noch mit wittern, eine Fährte verfolgen) übersetzt. Ein „Flaireur“ war einst ein Ausspürer, ein Schnüffler, ein — wie der Brockhaus von 1895 formuliert — „von der Polizei angestellter Riechinspektor für Lebensmittel auf dem Markte“.

Unter diesen Umständen kann also beispielsweise Dietmar Schönherr nicht (wie ein publizistisch beflissener TV-Oberer es ihm einmal bescheinigte) ein „Flair“ haben. Wofür auch? Und — um noch kurz beim Fernsehen zu bleiben — Peter Wyn-garde hat ein solches nur als Jason King, der auf dem Bildschirm Verbrecher jagt, wozu Spürsinn, figürlich eine „feine Nase“, ein „guter Richer“ erforderlich ist, nicht aber, obwohl oft unterstellt, als Mann, als Mensch. Der britische Schauspieler besitzt allenfalls das, was ständig mit „Flair“ verwechselt wird, nämlich „A i r“, das heißt eine gewisse Ausstrahlung, ein Fluidum, eine Art Aura oder wie man das Phänomen bezeichnen will.

„Flair“ ist nicht „Air“, was im Französischen und Englischen wie übrigens auch bei uns unter anderem Aussehen, Äußeres, Benehmen, Haltung, übertragen, zudem Eigenart, Wesen, Wirkung usw. bedeutet. Den Unterschied sollten sich alle jene merken, die diese Wörter und Begriffe fortgesetzt durcheinanderbringen und damit auch die Leser verwirren. Den Redakteuren, Korrektoren, Setzern und sonstigen für die Herstellung von Druckerzeugnissen Verantwortlichen darf geraten werden, die falsche Vokabel, toann immer sie in einem Text vorkommt, sogleich zu kupieren, das heißt, um die beiden ersten Buchstaben zu reduzieren. Sie erwiesen damit der Sprache und — durch die Einsparung von Blei — dem Verlag einen Dienst.

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