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Der Monolith

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Am kommenden Sonntag feiert in Vermont, USA, der russische Schriftsteller Alexander Solschenizyn seinen 70. Geburtstag. Als 52jähriger erhielt er den Nobelpreis für Literatur, vier Jahre später, 1974, wurde er gewaltsam aus der UdSSR abgeschoben, übersiedelte 1976 in die USA und arbeitet dort, fast abgeschieden von der Welt, an seinem mehrbändigen Romanzyklus über die russische Revolution: „Das Rote Rad“.

Vor 50 Jahren schon hatte er mit dieser Arbeit begonnen. Er will damit, wie er in einem Interview sagte, auf das Bewußtsein seines Volkes einwirken. Ein Urteil über den Wert und die Bedeutung seiner Bücher werde sich erst zwanzig, fünfzig oder hundert Jahre nach seinem Tod fällen lassen.

In die kurzatmige Welt der rasch wechselnden Moden ragt die Gestalt Solscheni-zyns wie ein Monolith aus einer längst untergegangenen Zeit der Menschheitsgeschichte herein. Er ist von der Aufgabe des Schriftstellers überzeugt. In seinem Roman ,JJer erste Kreis der Hölle“ heißt es: „Ein großer Schriftsteller... ist so etwas wie eine zweite Regierung. Darum hat auch keine Regierung je die großen Schriftsteller geliebt, sondern nur die kleinen.“

Die Funktion des Künstlers hat Solschenizyn in seiner Nobelpreisrede genauer erläutert: Natürlich sei der Künstler zu nichts verpflichtet, aber es sei doch schmerzlich^ zu sehen, wie durch einen Rückzug der Kunst „in die Gefilde subjektiver Launen“ die reale Welt „der Obhut eigennütziger, nichtiger oder auch wahnsinniger Menschen überlassen“ werde.

Wer habe denn von alters her die Kraft, nicht zu entzweien, sondern zu vereinigen? Und wem, wenn nicht den Künstlern, komme es zu, die Lüge zu besiegen? Die Lüge ist für Solschenizyn die natürliche Verbündete der Gewalt. Und gegen die kämpft der „einfache tapfere Mensch“.

Fremd klingende Worte aus einer fernen Welt. Solschenizyn ist nämlich überzeugt, daß jeder Mensch mit seinem Willen und seinen Handlungen „in irgendeiner Weise auf den Gang der Geschichte einwirkt“.

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